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Voll zufrieden ist nur „befriedigend“

BEWERTUNG Beschäftigte haben einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis – doch in der Praxis gibt es manchmal Probleme. Die Beurteilung durch den Arbeitgeber muss auch wohlwollend sein. Dafür sollte man die gängigen Formulierungen kennen

von Hannes Koch

Rechtlich scheint die Lage klar zu sein, dem Paragrafen 109 der Gewerbeordnung fehlt es nicht an Deutlichkeit. „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis“, heißt es. Dann unterscheidet die Regelung „einfache“ und „qualifizierte“ Zeugnisse. Auch die zweite Variante können die Beschäftigten von den Firmen laut Gewerbeordnung „verlangen“.

„Ein einfaches Zeugnis soll die Art und Dauer der Beschäftigung enthalten“, sagt Christian Götz, Arbeitsrechtler beim Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Im qualifizierten Zeugnis stehen darüber hinaus beispielsweise Informationen über die soziale Kompetenz im Umgang mit Kollegen, Kunden, Vorgesetzten und Untergebenen sowie die Leistungen des Arbeitnehmers in den einzelnen Arbeitsbereichen, so Götz.

Wer eine schriftliche Beurteilung wünscht, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde, hat ebenfalls gute Karten. „Auch auf ein Zwischenzeugnis haben Arbeitnehmer bei berechtigtem Interesse einen Anspruch“, sagt der auf Arbeitszeugnisse spezialisierte Berliner Rechtsanwalt Christoph M. Müller. Mitunter lässt man sich eins ausstellen, wenn man darüber nachdenkt, den Arbeitgeber zu wechseln. Diesen Grund muss man dem Chef aber nicht verraten, auch wenn er diese Motivation ahnen mag. Allerdings sind die Beschäftigten gehalten, den Wunsch nach einem Zwischenzeugnis zu begründen. Beispielsweise kann man argumentieren, zur Überprüfung des beruflichen Fortkommens eine Einschätzung der eigenen Arbeitsleistung erhalten zu wollen. Andere plausible Gründe sind etwa ein Wechsel in der Position des Vorgesetzten, die Versetzung des Angestellten in eine andere Abteilung oder Veränderungen im Tätigkeitsfeld. Praktisch sei es meist unproblematisch, ein Zwischenzeugnis zu erhalten, sagt Verdi-Jurist Götz. Die Unternehmen würden diesem Wunsch ihrer Mitarbeiter in der Regel entsprechen.

Doch sowohl beim Zwischen- wie auch beim Abschlusszeugnis kommt es hin und wieder zu Problemen. Zum Beispiel, weil ein Konflikt zwischen Firma und Mitarbeiter schwelt. Oder weil das Unternehmen einen Angestellten nicht gehen lassen will. Kommt der Arbeitgeber dem mündlichen Wunsch des Arbeitnehmers, ein Zeugnis zu erhalten, nicht nach, so muss dieser im nächsten Schritt sein Anliegen schriftlich vortragen, erklärt Götz. Das macht man am besten postalisch.

Ist man mit den Formulierungen des Zeugnisses schließlich nicht zufrieden, besteht die Möglichkeit, Korrekturen einzufordern. Dafür sollte man gegenüber dem Unternehmen wiederum schriftlich einzelne Redewendungen exakt benennen und Argumente für die Umformulierung anführen. Auch Vorschläge kann man machen.

Geht das Unternehmen dar­auf nicht ein, kann als dritter Schritt die Klage vor dem Arbeitsgericht folgen. In solchen Auseinandersetzungen helfen beispielsweise Rechtsanwälte oder die örtlichen Beratungsstellen der Gewerkschaften, die ihren Mitgliedern Rechtsschutz gewähren. Unterstützung im Vorfeld erhalten Arbeitnehmer auch auf der Internetseite www.arbeitszeugnis.de, deren Dienstleistungen teilweise kostenpflichtig sind.

Was aber sind Formulierungen im Zeugnis, die Mitarbeiter nicht akzeptieren müssen? „Die Vorgesetzten sind grundsätzlich gehalten, dem jeweiligen Beschäftigten ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen“, sagt Anwalt Müller. So soll vermieden werden, dass die Firma einem Mitarbeiter Steine in den weiteren Berufsweg legt.

Beratung & Co.

Wichtige Infos gibt die im Jahr 2000 aus der „Projektgruppe Arbeitszeugnis“ des Berliner Stromversorgers Bewag hervorgegangene privat betriebene Webseite www.arbeitszeugnis.de. Ein großer Teil der Leistungen ist hier allerdings kostenpflichtig.

Darüber hinaus helfen die örtlichen Beratungsstellen der Gewerkschaften ihren Mitgliedern, zum Beispiel bei der kostenlosen „Arbeitszeugnisberatung“ der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Unter dem Adjektiv „wohlwollend“ versteht das Bundesarbeitsgericht ein mindestens befriedigendes Zeugnis, das dem Durchschnitt entspricht. Will der Betrieb einem Arbeitnehmer gegen dessen Willen eine schlechtere Beurteilung aussprechen, muss er nachweisen, dass dies wirklich gerechtfertigt ist. Meint hingegen der Beschäftigte, er verdiene eine bessere Benotung als „befriedigend“, die die Firma das aber verweigert, muss er belegen, dass das positivere Urteil realistisch ist. Vor Gericht finden deshalb Verhandlungen über einzelne Wörter und Redewendungen statt.

Allerdings stehen nicht die aus der Schule bekannten Noten in einem Arbeitszeugnis. Die entsprechenden Einstufungen werden mit festen Formulierungen umschrieben. So bedeutet etwa die Beschreibung, man habe die Aufgaben „stets zur vollsten Zufriedenheit“ der Geschäftsleitung erfüllt, ein „sehr gut“. „Stets zur vollen Zufriedenheit“ heißt „gut“ und „zur vollen Zufriedenheit“ kommt einem „befriedigend“ gleich.

Weitere Formulierungen finden sich auf der Seite Arbeitszeugnis.de unter „Notenskala“. Hellhörig werden sollten die Beschäftigten demnach, wenn Formulierungen auftauchen wie „Ihre Leistungen fanden unsere Zufriedenheit“ oder „Aufgaben, die ihm übertragen wurden, erledigte er in der Regel zu unserer Zufriedenheit“. Diese Beurteilungen deuten auf unterdurchschnittliche Einstufung hin und sollten, wenn begründbar, revidiert werden.

Nach oben sind guten Beurteilungen kaum Grenzen gesetzt. Man kann sich auch selbst schöne Formulierungen ausdenken, die man dem Arbeitgeber vorschlägt. Lässt er sich auf diese Kooperation ein, kann ein eindrucksvolles Beurteilungsschreiben entstehen. Vor allzu viel Lobhudelei sollte man sich freilich in Acht nehmen – sie wirkt unglaubwürdig.

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