LeserInnenbriefe
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Freiheitsberaubung

betr.: „Nachtzüge: Problemlos, angenehm, zeitsparend“, taz vom 30. 8. 16

Vielen Dank für die Serie über die vom Aussterben bedrohten Nachtzüge. Als regelmäßiger Nutzer der Strecke Mannheim–Berlin (und zurück) kann ich zu dem Artikel ergänzen, dass man auch mit größerem Gepäck und im Liegewagen (5 Betten à 26 Euro Aufpreis) und mit fast 1,90 Meter Körpergröße wunderbar reist (Oropax ist allerdings ratsam wegen der Schnarcher und manchmal kleiner Kinder).

Im Oktober fahre ich das letzte Mal mit dem Nachtzug München–Rom. Viel schöner, günstiger und umweltfreundlicher als Fliegen! Es ist eine Schande, dass diese komfortable und bequeme Art des Reisens von den Bahnoberen abgeschafft wird. Es grenzt an Freiheitsberaubung.

Christian JANSEN, Trier/Berlin

Verbiegen historischer Tatsachen

betr.: „Armenienresolution: Für alle etwas dabei“, taz vom 2. 9. 16

Die Bundesregierung distanziert sich. Die Bundesregierung distanziert sich nicht. Der Außenminister lässt die Haltung der Bundesregierung offen. – Geht’s noch? Vielmehr müsste die Bundesregierung jetzt die Armenien-Resolution unmissverständlich bekräftigen. Oder meint sie im Ernst, historische Tatsachen dürfe man aus Gründen der Opportunität verbiegen? Und abgesehen vom Inhaltlichen würde es sich um einen ausgewachsenen Verfassungsbruch handeln. Das Parlament gibt die politische Richtung vor, und die Bundesregierung hat diese umzusetzen. Eine Regierung, die nicht tun will, was das Parlament ihr vorgibt, kann nur zurücktreten. Otto Hutter,Augsburg

Achtundsechziger-Aversion

betr.: „Raul Hilberg, ein Vorbild nach wie vor“, taz vom 27. 8. 16

Raul Hilberg musste leider nicht als einziger Holocaust-Überlebender die böse Erfahrung machen, dass selbst nach der Niederlage Deutschlands kaum einer etwas über das gerade Vergangene wissen wollte. Viele des Schreibens Kundige veröffentlichten ihre bitteren Erfahrungen (beispielsweise Lea Fleischmann, „Dies ist nicht mein Land“, 1982). Es ist nicht erstaunlich, dass die starke Kontinuität zum nationalsozialistischen Deutschen Reich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der BRD, dem Land der Täter, lange verhinderte, das Buch zur Kenntnis zu nehmen und zu veröffentlichen. In der DDR war es nicht anders, wie der Rezensent schreibt, aber auch in den USA, in Hilbergs ehemaligem Vaterland Österreich, international und selbst in Israel – das schreibt er nicht – erging es dem Autor in den ersten Jahren nicht besser mit seinem bahnbrechenden Werk.

Der letzte Satz des Rezensenten: „Gut möglich, dass in vielen Jahren deutscherseits anerkannt wird, was im osteuropäischen Raum die eigenen Opas und Uropas angerichtet haben“, ist ebenfalls nicht ganz richtig, denn diese Anerkennung ist bereits vorhanden – wenn auch gewiss nicht flächendeckend: „,Gott mit uns‘: Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939–1945“ (Ernst Klee, Willi Dreßen, Hrsg.) erschien 1989.

Die beiden Wehrmachtsausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung zum selben Thema von 1995 bis 1999 und von 2001 bis 2004 sorgten für großes Aufsehen und kontroverse Diskussionen in einer breiten Öffentlichkeit. Und last not least ist der Vernichtungskrieg im Osten seit etlichen Jahren in Geschichtsschulbüchern und -lehrplänen allgemeinbildender Schulen zu finden.

Es ist schade, dass Person und Werk Raul Hilbergs genutzt werden, um der Achtundsechziger-Aversion des Rezensenten zu dienen. Christine Grab, Schönau

Blockierte Einsicht

betr.: „Raul Hilberg, ein Vorbild nach wie vor“, taz vom 27. 8. 16

Jan Feddersen muss mit der Ehrung von Raul Hilberg wieder nebenbei sein Hobby, das 68er Bashing, befriedigen. Alle meine 68er Freunde hatten frühe Auseinandersetzungen im Elternhaus über die Haltung der Eltern vor und nach dem „Dritten Reich“, die im Totalzerwürfnis endeten. Und alle begannen mit Aufklärungsarbeit über die Fortdauer des Nazireichs in der Bundesrepublik.

Es ist richtig, dass die 68er dann die Auseinandersetzung auf die bekannte Formel „Kapitalismus führt zu Faschismus, Kapitalismus muss weg“ zuspitzten und zugleich verengten. Die Geschichte der gewaltsamen Durchsetzung der neoliberalistischen Wirtschaftsdoktrin zuerst in Lateinamerika und weltweit als Leitlinie der Politik bis heute zeigt, dass diese Formel immer noch aktuell ist. Um die Vernichtung der europäischen Juden, den Holocaust, zu begreifen, taugt sie wenig, ja hat unsere Einsicht auch blockiert. Die Filmserie „Holocaust“ von 1979 hat in der Tat die Auseinandersetzung neu angestoßen, auch über die Defizite der Linken zu einem Zeitpunkt, als die 68er Bewegung vorbei war. Das hat mich beschämt, aber nicht in Scham versinken lassen.

Burkhart Braunbehrens, Ebertsheim

Merkelmuss-Weg

betr.: „Die gehen nicht mehr weg“, taz vom 3./4. 9. 16

man kann den aufkleber an der tür der afd, „Merkelmussweg“ auch anders lesen: nicht im sinne von weg – nicht mehr da, sondern: der weg, den man entlanglaufen kann. der weg heißt also merkelmuss und hat eine transformation erlebt: „hin zu merkel“. Angela vom Baur, Straubenhardt