: Das Turnen, die Liebe und das Gold
Es war ein Sonntag, an dem er im Oktober des Jahres 1987 das Licht der Welt erblickt hat. In Bergisch Gladbach war das, der Stadt, in der auch die wunderbare Heidi Klum ihren ersten Atemzug getan hat. Fabian war da, der kleine Hambüchen, Fabi, unser Goldjunge.
Nicht „Papa“, nicht „Mama“, nein „Reck“ war das erste Wort, das der süße Junge, den seine Eltern voller Liebe schon im Alter von 16 Monaten an eine Stange gehängt haben, zwischen seinen roten Kinderlippen herausgepresst hat. Mit seinen Kulleraugen blickte er seine Eltern durch dicke Brillengläser an, und diese wussten, dass es für Fabi nur eines geben kann: ein Leben als Turner. Wie gut, dass sein Vater Turntrainer war. Nach Wetzlar war die Familie gezogen, jene Stadt im Norden Hessens, in der einst der große Goethe als Jurist am Reichskammergericht gewirkt hat. Von dort aus nahm Fabi Anlauf zu einer Karriere, wie es sie in Deutschland so schnell gewiss nicht wieder geben wird.
12 Jahre war er alt, als er zum ersten Mal an einem Länderkampf teilgenommen hat. 16 war er, als er das erste Mal erleben durfte, wie es sich anfühlt, unter olympischen Ringen zu turnen. Die Brille, mit der dieser scheue Junge sein schwaches Augenlicht in jenem Jahr 2004 verstärkt hat, sie saß so gut in seinem Gesicht, dass es schnell keinen jungen Mann in Deutschland mehr gab, der sich nicht genau eine solche Brille auf die Nase setzen wollte. Fabian war zum Hingucker geworden. Und das blieb – nicht nur wegen seiner Erfolge, wegen all der Weltmeister- und Europameistertitel, die er in den folgenden Jahren für sein geliebtes Heimatland gewonnen hat. Erschütternd war für viele auch der tiefe Einblick in sein Innenleben, den Fabian all seinen Fans gegeben hat, als er seine Autobiografie vorgestellt hat. 22 Jahre alt war er da und hat ungeschminkt unter anderem davon erzählt, wie seine Mutter just in dem Moment ins Zimmer platzte, als er mit seiner Freundin zum ersten Mal in seinem Leben die Freuden körperlicher Liebe erfahren wollte.
Eine hieß Viktoria, eine andere Caroline. Fabian hatte nicht immer Glück in Liebesdingen. Der größte Teil seines Herzens gehörte immer dem Turnen. Marcia, die Lehramtsstudentin, deren Herz er jüngst im Sturm erobert hat, weiß das. Sie weiß auch, was ihr geliebter Fabian schon durchmachen musste.
2011 riss die Achillessehne des längst zum Turn-Adonis gewordenen Fabian. Nur wer einmal einen Blick in die Hölle geworfen hat, wird ermessen können, was Fabi in dieser finsteren Zeit hat durchmachen müssen.
Und nur wer schon einmal einen Blick ins Paradies hat werfen dürfen, kann nachempfinden, wie es ganz tief drin in Fabian nach seiner goldenen Übung am Reck ausgesehen hat. Ein Traum war wahr geworden.
Andreas Rüttenauer
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