: Und immer an die Posten denken
Hinter der SPD-Kritik am Kabinettszuschnitt verbergen sich meist persönliche Ambitionen auf ein Spitzenamt
BERLIN dpa ■ Der Gesprächsbedarf war enorm. Geschlagene elf Stunden Zeit hatten die Spitzengenossen gestern reserviert, um sich über die eigene Marschroute klar zu werden. Alte und neue Aspiranten auf Ministerämter wie der frühere NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück eilten wortkarg ins Willy-Brandt-Haus. Heftig umworbene Kandidaten wie Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck verschwanden lieber durch die Tiefgarage, um neugierigen Fragen zu entgehen.
Hans Eichel hatte keine Kontaktscheu. Auffällig locker plauderte der Finanzminister über die Gespräche mit den EU-Amtskollegen am Vorabend in Luxemburg oder über deutsche Haushaltsprobleme. Keine Spur vom Minister auf Abruf, sollte der Auftritt klar machen. Andere Amtsinhaber, die ihren Posten wohl schon sicher haben, wie Heidi Wieczorek-Zeul, war die Gelassenheit anzumerken.
Nicht alle in der SPD sind so entspannt. „Der Druck zur personellen Erneuerung innerhalb der SPD ist extrem hoch und muss auch befriedigt werden“, steht für Juso-Chef Björn Böhning fest. Es gehe ihm nicht um ein „Kinderkabinett“, sondern um einen Mix aus Erfahrung und neuen Köpfen.
Vor allem die Parteilinke wittert im SPD-Postengerangel Morgenluft. Dort ist man nicht unzufrieden mit der verabredeten Ressortverteilung. Dass für die SPD dabei vor allem die Ministerien „zur Verwaltung von Not und Elend“ übrig blieben, wie Kritiker monieren, sieht man auf der Linken nicht unbedingt als Nachteil an, um Schlüsselpositionen zu besetzen.
Entsprechend alarmiert sind die Vertreter anderer SPD-Richtungen. Die rechten „Seeheimer“, die schon früh auf eine große Koalition mit der Union hinarbeiteten, fürchten, bei der Postenvergabe am Ende zu kurz zu kommen. Ihre rüde Kritik vom Vortag nahmen die „Seeheimer“ aber zurück. Nachdem sich Sprecher Johannes Kahrs über die Postenverteilung zuerst „entsetzt“ gezeigt hatte, will er nun „die Chancen einer großen Koalition sehen“. Dagegen wetterte der scheidende Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement weiter gegen die geplante Aufspaltung seines Ressorts: „Das ist doch alles verrückt.“