: Schlusslicht Niedersachsen
PEINLICH Trotz rot-grüner Regierung fehlt zwischen Küste und Harz ein Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Die Versprechen des rot-grünen Koalitionsvertrages aus dem Jahr 2013 klangen gut: „Unverzüglich“ werde Niedersachsen einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erarbeiten, es werde dazu eine Fachgruppe einrichten, besetzt mit Behindertenvertretern, Mitarbeitern der Sozialverbände und Ministerialbeamten.
Die Vereinten Nationen fordern weit mehr als nur Barrierefreiheit: Behinderte sollen alle Chancen haben, am öffentlichen, politischen, kulturellen Leben teilzunehmen – auch der Zugang zum Arbeitsmarkt soll gesichert werden. „Novelliert“ werde deshalb auch das niedersächsische Gleichstellungsgesetz, versprachen die Regierungsparteien – schließlich fehlten darin „verbindliche Zielvereinbarungen“.
Peinlich für SPD und Grüne: Zwar hat die Fachkommission mehr als 300 Vorschläge erarbeitet und den Entwurf eines Aktionsplans bereits im Dezember 2014 an Sozialministerin Cornelia Rundt überreicht. Umgesetzt aber wurde dieser bis heute nicht. Niedersachsen ist damit das letzte Bundesland ohne eine solchen Aktionsplan. Auch die Gesetzesnovelle ist nicht in Sicht. „Seit fast zwei Jahren ist nichts geschehen“, ärgert sich Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der viele Menschen mit Behinderungen vertritt.
Über die Gründe für die Nicht-Umsetzung wollen Insider nur hinter vorgehaltener Hand spekulieren: „Natürlich hat die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge aus Syrien Ressourcen gebunden“, sagt einer. Offenbar setze die Landesregierung aber auch andere finanzielle Schwerpunkte: „Manche Ministerien weigern sich, auch nur die eigene Internetseite barrierefrei zu gestalten – weil das Geld kostet.“
Immerhin: Nach massiven Protesten von Behindertenverbänden will Sozialministerin Rundt dem Kabinett in der kommenden Woche eine abgespeckte Version des Aktionsplans präsentieren. Durchgewunken werden sollen Vorschläge, deren Umsetzung in den kommenden zwei Jahren möglich erscheint. Veröffentlicht werden sollen die aber erst im Herbst.
Ein Kabinettsbeschluss, nach dem Behinderte entgegen den Forderungen der UN kaum noch an den Beratungen beteiligt werden sollen, wird wohl überdacht werden müssen: Niedersachsens Behindertenbeauftragte Petra Wontorra jedenfalls dringt auf die weitere „Beteiligung, Beratung, Mitwirkung, Mitbestimmung und Mitentscheidung“ behinderter Menschen. ANDREAS WYPUTTA
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen