Debatte über Aborigines in Australien: Rassismus verkauft sich nicht
Eine australische Tageszeitung vergrault mit einem Cartoon wichtige Leser und zahlende Kunden. Der Karikaturist sieht sich im Recht.
Der Fernsehsender ABC Broadcast hatte Ende Juli aufgedeckt, dass Jugendliche im Don Dale Youth Detention Centre, einem Jugendgefängnis im Northern Territory Australiens, schwer misshandelt wurden. Eine Debatte über den Umgang mit Aborigine-Kindern folgte, da 94 Prozent der inhaftierten Jugendlichen im Northern Territory Aborigines sind, wie der britische Guardian berichtet.
Die Zeichnung veröffentlichte eine der meisterverkauften Tageszeitungen des Landes, The Australian. Für den Karikaturisten Bill Leak sind die Eltern für die Probleme im Northern Territory verantwortlich. Über die Straftäter im Jugendgefängnis schreibt er, man müsse mal „einen Blick in deren Zuhause werfen“, dann würde man verstehen, warum sie dort gelandet sind.
Leaks pauschalisierende Kritik will sich die indigene Community Australiens nicht gefallen lassen. Nigel Scullion, Minister für indigene Angelegenheiten, nannte den Cartoon rassistisch und geschmacklos. Die SNAICC, eine Interessenvertretung für indigene Kinder und Familien, findet ihn ekelhaft, respektlos und verletzend: „Die, die an der Veröffentlichung eines so rassistischen Cartoons beteiligt waren, sollten sich schämen und bei allen Australiern entschuldigen“, sagte die NGO, wie die BBC berichtete. Auch eine staatliche indigene Organisation in New South Wales kritisiert den Cartoon. Es sei „peinlich, dass Australiens landesweite Zeitung ihn veröffentlicht hat“.
Schauspieler Page-Lochard
Die schärfste Kritik kommt aber aus dem Netz. Unter dem Hashtag #IndigenousDads posten tausende Aborigine-Kinder Bilder ihrer indigenen Väter, die nicht etwa betrunkene Taugenichtse, sondern liebende Väter seien. Eine Twitternutzerin schrieb: „Hier ist ein Bild von mir und meinem Vater. Er hat meinen Namen NIE vergessen“.
Auch bekannte australische Persönlichkeiten mischen mit. Der Schauspieler Hunter Page-Lochard postete ebenfalls ein Bild seines Vaters: „Das ist mein indigener Vater. Und nein, das ist kein Bier in seinen Händen, sondern ein Helpmann Award“ – ein australischer Preis für herausragende Künstler.
Zweite Version des Cartoons
Anstatt sich nach der Reaktion der Twitteruser zu entschuldigen, zeichnete Bill Leak eine zweite Version des Cartoons, in der er sich als Opfer darstellt. Die Twitter-Community nennt er in einem Interview „scheinheilige Twitter-Vögel“, die die Bedeutung seines Cartoons nicht ohne Hilfe verstehen würden. Er bilde lediglich die Realität ab.
Auch dieser Cartoon wurde im Australian veröffentlicht. Der Chefredakteur der Zeitung, Paul Whittaker, steht hinter dem Karikaturisten. In einem Statement schrieb er: „Bill Leaks konfrontierende und aufschlussreiche Cartoons bringen die Menschen dazu, die Kernprobleme zu verstehen, wie es Berichte und Analysen manchmal nicht schaffen“.
Die politische Ausrichtung des Australian ist mitte-rechts. Weil sie sich häufig mit indigenen Angelegenheiten beschäftigt hat, bekam sie Lob von der indigenen Community, wie die BBC berichtet. Den guten Ruf könnte sich die Redaktion jetzt allerdings verspielt haben.
Und nicht nur das. Auch zwei große Werbekunden kritisieren den Cartoon scharf. Die Suncorp Bank, eine der größten Banken Australiens, hat ihre Online-Werbung entfernt. Via Twitter teilten die Verantwortlichen mit, sie „unterstützen den Cartoon definitiv nicht“ und würden daran arbeiten, auch zukünftig keine Anzeigen mehr zu schalten.
Das Adelaide Festival, ein jährliches Kunstfestival, distanziert sich ebenfalls. Ihre Werbeanzeigen hätten die Festivalbetreiber Wochen vor „Bill Leaks beschämenden Cartoon“ geschaltet. Ihre Anzeigen im Australian wollen die Betreiber nun „ernsthaft überdenken“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!