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Neue Heimstatt für die Rote Armee

Polen Die letzten noch verbliebenen Sowjetdenkmäler sollen aus den Stadtzentren entfernt und in einem Freiluftmuseum in Borne Sulinowo wiederaufgebaut werden. Das wird kontrovers debattiert

AUS WARSCHAU Gabriele Lesser

Noch stehen sie in ganz Polen: Soldaten der Roten Armee, das Gewehr im Anschlag, über einen gefallenen Kameraden gebeugt oder in stolzer Befreierpose. Seit Kriegsende prägen die tonnenschweren Stein- und Bronzedenkmäler zentrale Plätze in polnischen Städten. Damit soll nun Schluss sein. Das staatliche Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) will die letzten der einst über 500 Sowjetdenkmäler demontieren und in einem Freiluftmuseum in Borne Sulinowo wiederaufbauen lassen.

Vorbild für das Freiluftmuseum im nordwestpolnischen Borne Sulinowo ist der Grutas-Park in Litauen. Hier weisen seit 2001 meterhohe Lenin- und Stalin-Statuen den Weg zum Mini-Gulag, den steinernen Heldenmüttern, dem Museum des Kommunismus, den granatenbewehrten Bronzesoldaten. Im lichten Kiefernwald entlarven sich die sowjetischen Propagandastatuen aus der Okkupationszeit Litauens von ganz allein.

Borne Sulinowo, zwischen Stettin und Danzig gelegen, eignet sich wie kaum eine andere Stadt Polens für ein Kommunismus-Freiluftmuseum. Hier waren bis 1992 Tausende sowjetische, später russische, Soldaten stationiert. Das militärische Sperrgebiet mit dem damals größten Truppenübungsplatz im Warschauer Pakt tauchte erst nach dem Abzug der russischen Truppen auf der Landkarte Polens auf. Allerdings schien die Geisterstadt verurteilt, ganz in Vergessenheit zu geraten.

Doch dann kamen immer mehr Rentner, Naturliebhaber und Abenteuertouristen, die sich auf die Suche nach Spuren der Nazi- und Sowjetzeit in Borne Sulinowo machten. Inzwischen erkannte die Stadtverwaltung, dass die Zukunft des Ortes mit knapp 5.000 Einwohnern in seiner einzigartigen Geschichte liegt. Ein weiteres Freiluftmuseum mit sowjetischen Krieger-, „Dankbarkeits“- und Waffenbrüderdenkmälern aus ganz Polen wird Borne Sulinowo zu einem Magneten für Touristen machen, da sind sich die Stadträte sicher.

Die Idee, die sowjetischen und kommunistischen Denkmäler aus den Stadtbildern Polens zu entfernen, ist nicht neu. Einige bei der Bevölkerung besonders verhassten „Helden“ wurden Anfang der 1990er Jahre vom Sockel geholt. Ärger gab es regelmäßig, wenn ein martialisch aussehendes „Dankbarkeitsdenkmal“ demontiert und auf einem der sowjetischen Soldaten­friedhöfe wiederaufgebaut wurde. Meist protestierte die russische Botschaft in Warschau, oft waren es Politiker in Russland selbst. Ob die Polen schon vergessen hätten, wer sie 1945 vom Terror der Nazi-Deutschen befreit hatte, wurde gefragt.

Auch viele Historiker und KZ-Überlebende wie Jerzy Jed­licki sind den Russen für ihren Kampfeinsatz so dankbar, dass sie für den Verbleib der Denkmäler in den Stadtzentren plädieren. Dass die Rote Armee den Polen nicht die Freiheit brachte, erkennen sie dabei an. Doch sie rettete ihr Leben.

Für Pawel Ukielski, den IPN-Direktor, überwiegen andere Argumente: „Es gibt keinen Grund, die Denkmäler zur Erinnerung an die Rote Armee zu glorifizieren, die zweimal in Polen einfiel und für etliche Verbrechen nach dem Krieg verantwortlich ist“, erklärte Ukielski. Andere Historiker erwähnen den Hitler-Stalin-Pakt mit seinem geheimen Zusatzprotokoll, das die Aufteilung Polens nach dem gemeinsamen Überfall 1939 in „Interessensphären“ vorsah.

Vorbild für das ­geplante Freilicht­museum ist der Grutas-Park in Litauen

Schon im April hatte es Streit zwischen Warschau und Moskau über die geplante Verlegung der Denkmäler gegeben. Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zacharowa, verglich das Vorgehen Polens gar mit den „Methoden des Islamischen Staates“.

In Warschau bemühte man sich, einen kühlen Kopf zu bewahren. Offiziell erklärte das Außenministerium: „In Polen befinden sich 1.875 sowjetische und russische Soldatenfriedhöfe. Ihre Pflege wurde im Polnisch-Russischen Vertrag von 1994 geregelt. Seit 1989 wurde kein einziger dieser Friedhöfe liquidiert. Alle werden auf Kosten des polnischen Staates gepflegt und instand gehalten. In den letzten Jahren gab Polen für diesen Zweck 14 Millionen Zloty (umgerechnet 3,5 Millionen Euro) aus.“ Im Vertrag sei keine Rede von Denkmälern, die sich außerhalb der Soldatenfriedhöfe befänden.

Dass Ukielski seine Entscheidung, die Sowjetdenkmäler nach Borne Sulinowo zu bringen, jedoch ausgerechnet am 60. Jahrestag der Niederschlagung des Posener Aufstandes 1956 gegen die Sowjetmacht bekannt gab, hat seine politisch-symbolische Bedeutung. Sie steht im Einklang mit der Geschichtspolitik der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und lautet: „Russland war, ist und bleibt unser Feind.“

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