: Es lag was in der Luft
Joint Das grüne Urgestein Hans-Christian Ströbele hat noch nie dran gezogen, alle andern tun es ihm zum Trotz. Ob das gesund ist? In Berlin war wieder Hanfparade
von Elena Wolf
„Legalisierung liegt in der Luft“ – treuer kann man seinem Motto nicht sein. Am Samstag zogen rund 4.000 Cannabis-Freunde mit der Hanfparade durch die Innenstadt – und mit ihnen der angenehm süße Geruch von Mary und Jane, und wie die Gemeinde ihr heiß geliebtes Pflänzlein noch so nennt. Seit 20 Jahren treten sie mit kifferfreundlichen Parteien wie den Grünen, Piraten oder Linken dafür ein, die umstrittene Pflanze zu entkriminalisieren.
Bevor die Parade am Hauptbahnhof startet, laufen sich die fetten Soundsysteme auf den rund ein Dutzend bunt geschmückten Paradewägen warm. Veranstaltungsleiter Steffen Geyer flitzt geschäftig zwischen den vielen Menschen und Wagen umher. Verschiedene SprecherInnen wechseln sich zur Auftaktkundgebung mal mehr, mal weniger hörbar am Mikrofon des Hauptwagens ab. Egal – wer hier ist, weiß eh, worum es geht: die Freigabe von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel.
Dass vor allem Letzteres bei vielen ParadeteilnehmerInnen im Zentrum steht, ist kein Geheimnis. Mit jeder Windbö wehen einem nicht nur die Transpis um die Nase. Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele will endlich losmarschieren. Am Rande des Getümmels nestelt er an seinem Fahrrad herum. Seine weißen Haare verstrubbeln im Wind des perfekten Sommerwetters. Bereits im Jahr 2002 forderte das grüne Urgestein auf der Parade: „Gebt das Hanf frei!“
Dabei will er nach eigenen Angaben noch nie im Leben an einem Joint gezogen haben. „Bei uns im Büro gab’s schon einige Jointkreise, aber ich hab da nie mitgemacht“, erklärt der ehemalige RAF-Anwalt und streicht sich die wilden Haare zurecht. Seit 15 bis 20 Jahren nehme er sogar überhaupt keine aufputschenden Mittel zu sich, verzichte selbst auf Kaffee. Dass er mit 77 Jahren trotzdem vorne mit dabei ist, wenn’s ums Gras geht, hat einen guten Grund: „Ich will noch erleben, dass Hanf endlich freigegeben wird“, sagt er und betont, dass die Hanfparade maßgeblich zu einem politischen Umdenken beigetragen hätte.
Endlich setzen sich die Wagen in Bewegung. Sprechchöre beweisen, dass es sich bei der Hanfparade auch um eine politische Demonstration handelt: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns das Ganja klaut!“, tönt es in Sponti-Manier zu wummernden Beats. Als die Parade am Reichstagsgebäude vorbeizieht, gibt es auf der Höhe des Berlin-Pavillons eine spontane Zwischenansage in Richtung Biergarten: „Hallo Berlin, hier ist die Hanfparade! Wir wollen Cannabis nicht nur legalisieren, weil wir gerne kiffen, sondern weil es sinnvoll ist!“ Eine Gruppe junger AsiatInnen schaut sich verdutzt an.
Tibor Harrach, Grüne
Als die Parade für die geplante Zwischenkundgebung vor dem Bundesgesundheitsministerium haltmacht, wird symbolisch in Richtung Marlene Mortler von der CSU gewettert, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Oliver Waack von den Piraten spricht als Cannabis-Patient über die medizinischen Vorteile der Pflanze. Tibor Harrach von der LAG Drogenpolitik der Grünen schreit „Geht wählen, wählt eine Legalisierungspartei!“ ins Mikrofon.
Müdes Klatschen. Nicht etwa, weil die Parade nicht mit dieser Forderung einverstanden wäre. Vielmehr haben die FahrerInnen der Paradewagen konstant das Tempo erhöht, sodass viele Ganja-Jünger die Zwischenkundgebung zum Durchlüften nutzen und knülle auf den Gehsteigen lümmeln.
Mit den letzten Kräften vorm Roten Rathaus angekommen, lauschen die wenigsten noch den Worten der Abschlusskundgebung. Im Hintergrund hatte Rapper Eko Fresh nämlich auf dem Alexanderplatz mit dem Soundcheck begonnen und damit die Aftershow-Sause eingeleitet. Gegen halb sechs eröffnet schließlich die Berliner Reggaegröße Ganjaman offiziell die Bühne und fordert mit seiner Hanfparaden-Hymne „Ganjafarmer“ „Reeeeespekt an alle Farmer“. Die Lebensgeister erwachen wieder. Die Sonne knallt. Und ein ganz besond’rer Duft liegt wieder in der Luft …
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