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Überleben sichern durch Aufessen

Aussterbende Tiere Wenn der Mensch Nutztiere nicht mehr braucht, lässt er sie aussterben. Im Tierpark Arche Warder werden die alten Rassen am Leben erhalten – bis sie in die Wurst kommen

Alte Haustierrasse: Angoraziegen im Tierpark Arche Warder Foto: Esther Geisslinger

von Esther Geißlinger

Wenn es heiß ist in Warder, gehen die Schweine gern schwimmen. Besonders die Turopoljer lieben das Wasser – für die schwarz-weißen Tiere, die ursprünglich aus Kroatien stammen, hat der Tierpark bei Rendsburg in Schleswig-Holstein eigens einen Teich angelegt. Nicht die einzige Sehenswürdigkeit im „Schweineland“ der Arche: Kinder dürften die langhaarigen Wollschweine bestaunen und Geschichtsinteressierte sich über die Husumer „Protestsauen“ freuen. Deren rot-weißes Fell ähnelt der dänischen Flagge, denn angeblich wurden die Tiere im 19. Jahrhundert von den dänischen Bauern im Norden Schleswig-Holsteins gezüchtet, als Protest gegen den Verbot des „Dannebro“: Gegen die Schweine im Vorgarten konnten die preußischen Herren nichts sagen. Sauen und Eber von elf unterschiedlichen Schweinesorten grunzen und wühlen auf den Wiesen des „Schweinelands“, alle haben etwas gemeinsam: Sie sind vom Aussterben bedroht. Der beste Weg, sie zu retten, ist sie zu essen.

Ja, das klingt widersprüchlich, gibt Kai Fröhlich, Direktor des Tierparks und Vorsitzender des Trägervereins der Arche Warder, zu: „Aber wenn Sie beispielsweise ein Kotelett vom Bunten Bentheimer Schwein verzehren, tragen Sie aktiv zur Erhaltung dieser gefährdeten Rasse bei.“

Alle Tiere des Parks, von Enten über Rinder bis Ziegen, entstammen alten und selten gewordenen Haustierrassen – sie waren also immer zur Nutzung durch den Menschen bestimmt. Viele der Tiere sind an bestimmte Landstriche angepasst, wie die Heidschnucke an die Heide, oder haben bestimmte Vorzüge, etwa ein besonders mageres Fleisch oder dichtes Fell. Doch ihre Stärke ist auch ihr Risiko: Braucht der Mensch ihre Eigenart nicht mehr, erlischt die Zucht.

So züchteten keltische Druiden die Englischen Parkrinder, stämmige Tiere mit weißem Fell und auffälligen schwarzen Flecken um die Augen, als Opfertiere. Später jagten angelsächsische Burgherren die Nachfahren der Auerochsen mit ihren beachtlichen Hörnern. Ohne Druiden und Burgherren stirbt das Parkrind aus, genau wie der wuschelige, kräftige Poitou: Die Arbeit des größten Esels der Welt als Lastenschlepper erledigt schon lange der Trecker.

Doch das größte Problem ist die heutige Turbo-Landwirtschaft und der Wunsch vieler VerbraucherInnen nach billiger, stets ähnlich schmeckender und aussehender Ware. Mit einem „Flaschenhals“ vergleicht das Arche-Team das Aussieben der Haustiere auf nur wenige Hochleistungsrassen.

Seit 2003 gibt es den Tierpark in seiner jetzigen Form, heute rühmt er sich, Europas größtes Zentrum für seltene und aussterbende Haustierrassen zu sein. Hervorgegangen ist die Arche aus dem „Haustier-Schutzpark Warder“, den der Biologe und Zoologe Jürgen Güntherschulze 1991 gründete. Als er Ende 2003 Insolvenz anmelden musste, sprang der Trägerverein „Arche Warder“ ein, kaufte das Land und den Tierbestand. Mitglieder des Vereins sind unter anderem die Gemeinde Warder, der örtliche Tourismusverein und Greenpeace.

Der heutige Direktor und Tierarzt Kai Fröhlich, der 2007 das Steuer der Arche übernahm, setzt auf die „optimierte tierärztliche Versorgung des Tierbestandes“. Klingt etwas technokratisch, hilft dem Park aber, Geld für teure Behandlungen zu sparen, weil der Chef selbst Hand anlegt. Der Schutz- und Erhaltungsgedanke wird noch stärker in den Mittelpunkt gestellt. So ist eine Hauptaufgabe, den Genpool der Bestände durch professionelle Zucht zu vergrößern.

„Arche Warder“

Die „Arche Warder“
 – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e. V. liegt in Warder zwischen Neumünster und Rendsburg; der nächste Bahnhof ist in Nortorf, von dort fahren Busse.

Das Gelände umfasst rund 40 Hektar, die Rundwege sind etwa drei Kilometer lang – zu den Attraktionen zählen ein Haus mit Eltern- und Jungtieren am Anfang des Geländes, Streichelgehege und ein Steinzeitdorf.

Wer den Park unterstützen will, kann eine Patenschaft übernehmen. Dabei kann allerdings nur eine Rasse unterstützt werden, kein konkretes Tier – denn jedes Tier im Park kann verkauft, vertauscht oder geschlachtet werden.

Noch stärker als bisher sucht die Arche „Satelliten“ – gemeint sind Flächen außerhalb des Parks, auf denen die Schafe, Ziegen oder Rinder weiden. Darunter sind so prominente Orte wie das Wikingermuseum Haithabu oder – geplant – das Freiluftmuseum in Molfsee bei Kiel. In diesen touristischen Anziehungspunkten sind die Tiere nicht nur Hingucker auf vier Hufen, sondern helfen auch, die Wiesen kurz zu halten.

Aber die Satellitenflächen dienen vor allem dem Schutz: „Getrennte Unterbringung ist eine Vorsichtsmaßnahme gegen Seuchen“, so Fröhlich. Daneben setzt das Arche-Team auf die Vernetzung mit andere Parks und Gruppen, die sich dem Erhalt der alten Rassen verschrieben haben, und der Erforschung der Tiere.

Denn die wichtigste Waffe gegen das Vergessen der traditionellen Rassen ist das Wissen um ihre Vorzüge. So lockt der Park mit zahlreichen Veranstaltungen: Kinder können während der Sommerferien (bis 2. September) unter der Woche bei der Tierpflege helfen. Am Sonntag, 28. August, gibt es einen „Markt der außergewöhnlichen Tiere“, bei dem Nachzuchten aus dem Bestand erworben werden können. Und natürlich hat der Hofladen geöffnet – mit Wurst aus eigenen Beständen.

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