: Räuber unter neuem Management
Artenschutz Mehr Betreuer, mehr Schutz, mehr Entschädigung – und eine bedingte Lizenz zum Abschießen: Auch wenn der Wolf sich dort nur vereinzelt zeigt, legt Schleswig-Holstein sich einen neuen Plan für den Umgang damit zu
Jetzt werden die Wölfe endlich ordentlich gemanagt – zumindest in Schleswig-Holstein. Den dafür notwendigen „Managementplan“ stellte Umweltminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Kiel vor: „Gemeinsam mit Schafhaltern, Jägern und Naturschützern“, so Habeck zufrieden, „schaffen wir damit eine breit akzeptierte Basis für den Umgang mit dem Wolf.“
Im April 2007 wurde in Ostholstein der erste Wolf seit der Ausrottung im Jahr 1820 von einem Auto überfahren. Seitdem gab es in Schleswig-Holstein offiziell 29 Nachweise der verhassten Raubtiere. Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein und derselbe Wolf an verschiedenen Orten gesichtet wurde. 108 Verdachtsfälle von Nutztierrissen wurden ebenfalls gemeldet, Opfer waren durchweg Schafe; nur neunmal wurde ein Wolf aber auch als Täter nachgewiesen, in weiteren 22 Fällen konnte seine Schuld zumindest nicht sicher ausgeschlossen werden. Insgesamt 36.000 Euro hat das Land bisher als Entschädigung an Tierhalter gezahlt.
Seit 2015 sei der Aufwand für den Umgang mit Wölfen erheblich gestiegen, teilt Habecks Ministerium nun mit, ohne daraus gleich auf eine gewachsene Population zu schließen. Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) leben in Schleswig-Holstein und Hamburg keine Wölfe ständig, in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sollen demnach etwa ein Dutzend Paare und Rudel heimisch geworden sein.
Trotzdem will Schleswig-Holstein, in dem Wölfe bislang nur vereinzelt und auf der Durchreise angetroffen wurden, die Zahl der ehrenamtlichen Wolfsbetreuer, die Tierhalter beraten sollen, von 40 auf 70 erhöhen. Dafür stellt das Umweltministerium weitere 100.000 Euro bereit. Zudem wird festgelegt, dass Wölfe „unter keinen Umständen gefüttert werden dürfen“: An Menschen gewöhnte Wölfe nämlich könnten „aufdringlich oder aggressiv Futter einfordern“ – das gelte es zu vermeiden. Ende April war in Niedersachsen der Wolf „Kurti“ im Auftrag des dortigen Umweltministeriums von der Polizei „letal entnommen“ worden. Der Halbwüchsige war vermutlich als Welpe gefüttert worden und hatte deshalb kaum Scheu vor Menschen. Nachdem er sich Spaziergängern mehrfach bis auf wenige Zentimeter genähert hatte, wurde er zum „Problemwolf“ deklariert und getötet.
Zusammen mit der Tierärztekammer und den Veterinärbehörden legt das Land Schleswig-Holstein auch fest, unter welchen Umständen ein verletzter Wolf von Tierärzten, Polizisten und Förstern getötet werden darf. Eine heikle Frage, denn die Tiere sind nach EU-Recht und dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Die jetzt gefundene Lösung sieht nun eine Lizenz zum Töten vor: Eine „vorweggenommene Ausnahmegenehmigung“ erlaubt dann eine Nottötung, wenn ein Wolf etwa bei einem Unfall so schwer verletzt wurde, dass er nicht mehr fliehen kann.
Das alles seien „konstruktive Lösungen“, freut sich Habeck. „Mit dem neuen Management schaffen wir eine breit akzeptierte Basis für den weiteren Umgang mit dem Wolf.“
Sven-Michael Veit
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