Denkmal Telefonzellen sind Ruinen der Moderne. Einige stehen noch herum, kaputt, verbeult, beschmiert
: Über das Verschwinden

Von Luciana Ferrando (Text und Fotos)

Es sind nur Telefonzellen. Sie sind veraltet, werden überflüssig. Wer telefoniert noch damit? Sie verschwinden, indem sie abgebaut und wegtransportiert werden. Und wenn nicht, dann werden sie nicht mehr wahrgenommen, sie werden unsichtbar.

So wie ich es als Kind werden wollte. Damals waren Telefonhäuschen für uns Zeitmaschinen, Beamer, um in eine andere Dimension zu entschwinden. Unsichtbar wurde ich in den Träumen, wenn es gefährlich wurde. Unsichtbar war eine Mischung aus Sein und Verschwinden. Ich liebte es. Wir hatten einen eigenen Urwald im Garten einer Nachbarin. Man sagte, sie hasse Kinder. Doch wir waren gut getarnt, sie sah uns nicht. Sie schenkte mir „Far Away and Long Ago“ von William Hudson, mein erstes Buch. Unsichtbar werden: lesen.

Alles über Telefonzellen

Damals: Der erste „Fernsprechkiosk“ wurde 1881 in Berlin in Betrieb genommen. Ab 1946 wurde die Farbe Gelb vorgeschrieben, in den 1990er Jahren auf Weiß-Grau-Magenta umgestellt.

Heute: Es gibt deutschlandweit noch knapp 30.000 öffentliche Telefone. Im Jahr 2009 waren es noch dreimal so viele. Ausrangierte Telefonhäuschen verkauft die Telekom für 450 Euro – als Duschkabine, Tonstudio oder Deko. Die gelben Exemplare sind bereits vergriffen. Quelle: Deutsche Telekom

Telefonzellen, Kultobjekte, Sehnsuchtsorte für diejenigen, die vertrauliche Gespräche führten oder Telefonstreiche machten, dafür immer Münzen bei sich hatten.

Wenn ich zu Hause nicht gehört werden wollte, rief ich meine Freundin lieber aus einer Telefonkabine an. Wir kannten keine Rücksicht. Solange das Geld reichte, sprachen wir uns aus. Die Welt um uns herum verschwand.

Einmal sah ich ihr Tagebuch. Sie hatte geschrieben: „Ich fühle mich heute so:“ – und dann hatte sie die Seite leergelassen. Irgendwann sahen wir uns nicht mehr, und mit der Zeit vergaß ich auch wie ihre Stimme am Telefon klang. Wo ist sie jetzt? Erinnert sie sich an mich?

Wenn man sein Handy vergisst oder der Akku leer ist, werden sie kurz nützlich und kehren dann in die Unauffälligkeit zurück

Menschen, Beziehungen, Tiere, Wörter, Kinos, Flugzeuge, Gefühle, sogar Länder können verschwinden. Telefonzellen verschwinden, ohne dass viele es merken. Wenn man sein Handy vergisst oder der Akku leer ist, werden sie kurz nützlich und kehren dann in die Unauffälligkeit zurück. Weil Städte voller Gegenstände sind, scheint es einfacher zu sein, in einer Stadt zu verschwinden, ersetzt oder vergessen zu werden.

Jedes Mal, wenn ich in meiner Heimatstadt bin, bleibt diese Stadt in meinem Kopf nicht intakt. Cafés, Bäume, Bushaltestellen, Buchläden sind nicht mehr da. Auch wenn sie da sind. Verschwunden ist, was ich kenne: Meine Straße ist irgendeine Straße, mein Urwald ein Garten, eine Telefonzelle nur ein Phantom.