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Taktisch bleibt nichts von dieser EM

Auf Vereinsebene hilft Durchwurschteln nicht

von Gareth Joswig

Portugals Defensivfußball war so ledern, wie Trockenfleisch niemals sein kann. Mit nur einem Sieg in regulärer Spielzeit haben sie den Titel geholt. Otto Rehhagel hätte das nicht besser hinbekommen. Gegen dessen griechische Abwehrkanten hatten Ronaldo und Portugal das EM-Finale 2004 verloren. 2016 kopierten sie die Strategie: Sie zerstörten mit einer Mannverteidigung im Mittelfeld das Spiel der Gegner.

Von diesem Turnier wird taktisch nichts in den Vereinsfußball vordringen. Mit der Erweiterung auf 24 Teams, von denen nur 8 in der Vorrunde ausschieden, steht die EM für sich. Der Leistungsunterschied zwischen den Teilnehmern ist viel größer als in den europäischen Ligen oder in der Champions League.

Der Preis des großen Teilnehmerfeldes sind viele trostlose Spiele, die durch Konter und nach Standards entschieden wurden. Oder wie man in der Kreisliga sagt: „Hinten reinstellen und vorne hilft der liebe Gott.“ Die größten Neuerungen waren deshalb einzelne Standardvarianten der Underdogs: etwa Islands weite Einwürfe oder die walisische Ecken-Taktik gegen Belgien. Das war es dann auch.

Bei der EM 2016 hat sich kein neues fußballerisches Stilmittel oder Konzept etabliert. Weder hat ein Trainer eine neue Position erfunden noch hat ein Team ein neues Spielsystem geprägt.

Einst galten die großen Turniere als Taktik-Brutstätten. Was Teams bei einer EM oder WM spielten, sah man zwei Jahre später in den Ligen. Zum Glück funktioniert Hinten-reinstellen-und-das-Spiel-des-Gegners-Zerstören nicht über 34 Spieltage in der Bundesliga.

Bei dieser EM konnte man sich durchwurschteln. Selbst Frankreich und Italien spielten stellenweise so. Auch wenn niemand Ronaldos Gockelhaftigkeit oder die defensive Spielweise der Portugiesen leiden kann: Der Gewinner hat recht. Immer. Und es ist völlig egal, was die Verlierer davon halten.

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