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Archiv-Artikel

Der Bummelpolitiker

WAS SAGT UNS DAS? Souverän ist anders: Der bayerische Wissenschaftsminister spricht zu Hörsaalbesetzern

Besonders ausgewogen scheint das Gewicht der Argumente nicht verteilt ganz vorn im Hörsaal. Auf dem einen Tisch liegt ein Buch mit der Bayerischen Verfassung darin, auf dem anderen ein dünner Stapel loser Blätter. Hinter der Verfassung sitzt der Studentenvertreter Tobias Dreier, hinter den Zetteln der bayerische Wissenschaftsminister. „Wolfgang H.“ steht schlicht auf seinem Namenschild. Das ist Wolfgang Heubisch von der FDP.

Am Montagabend stellte sich Heubisch im seit zwölf Tagen besetzten Audimax der Uni München einer Diskussion mit den protestierenden Studenten. Früher hätte man einen Politiker wohl „mutig“ genannt für so einen Auftritt. Die Studenten drängen sich auf dem Balkon, in den Gängen, draußen auf dem Flur. Dem Studentenprotestklischee nach müssten sie den Minister jetzt unzivilisiert beschimpfen oder zumindest gepflegt ausbuhen. Die Münchner Studenten applaudieren lieber freundlich.

Die Besetzer haben einen dreiseitigen Katalog mit detaillierten Forderungen für eine bessere Universität mitgebracht. Der Minister hat ein paar Politikerfloskeln dabei. „Die Studiengebühren haben aus unserer Sicht nachhaltig Erfolg gezeigt“, wirbt Heubisch. Bayerns Unis böten „Qualität auf höchstem Niveau“. Die Studenten auf dem Podium zitieren Studien, die zeigen, wie sehr sozial Schwache durch die Gebühren von der Universität ferngehalten würden. „Es gibt Programme für Sonderschichten“, meint Heubisch. Ob er auch nur einen Grund nennen könne, warum es Studiengebühren brauche, fragen die Studenten. „Das bayerische Verfassungsgericht hat festgestellt, das Gebühren sozialverträglich sind“, erklärt der Minister.

So sitzen sie sich an diesem Abend gegenüber: Die Proteststudenten mit den nüchternen Argumenten und den ausgearbeiteten Verbesserungsvorschlägen und der Minister, der nicht einmal einfachste Fragen beantworten mag. Das ist das Absurde an diesen Bildungsprotesten: Die Studenten treten so pragmatisch auf, wie man es von Profipolitikern erwarten würde. Die Politiker agieren dagegen verplant und ziellos wie ein Haufen Bummelstudenten im 14. Semester.

Die Studenten fordern endlich auch in Bayern eine politische Mitsprache für die Studierendenvertreter. Heubisch sagt, er werde das prüfen. Bis wann? „Bitte legen Sie sich nicht auf einen Zeitraum fest“, windet sich der Minister. Dann lässt er sich doch noch auf eine Zusage ein. Ob er in drei Monaten eine Rückmeldung geben könne, ob er mit der Prüfung eines besseren Mitspracherechts für die Studenten begonnen habe, fragt die Moderatorin. „Das kriege ich hin“, meint der Minister. Es klingt, als koste ihn das schon viel Kraft.

BERNHARD HÜBNER