Berliner Szenen
: Neukölln Punk

Ist das Normahl?

Manche Passanten denken wohl, es sei eine Performance

48 Stunden Neukölln? Schon wieder verpasst. Bei Fête de la Musique warst du auch nicht dabei! Wo warst du denn? Ich war hier, in Neukölln. Hä? Verstehe ich nicht … Wieso hast du das dann verpasst?

Zum Glück gibt es in der deutsche Sprache Joker-Sätze, die alles erklären können und die niemand hinterfragt. „Es ist mir zu viel“, die Königin der Ausreden, stimmt manchmal und stimmt in diesem Fall.

Es waren mir zu viele Optionen, vielleicht aber auch zu viele coole, schön aussehende Menschen. Zu viele KünstlerInnen und Kunstinteressierte mit zu vielen angesagten Eigenschaften: kreativ, stylish, gelassen, jung. Ich fühle mich nicht so jung, gar nicht cool, spreche nur gebrochenes Englisch, habe kein Nasenpiercing, auch keine feinen Tattoos. Zu viel des Guten ist auch zu viel.

Stattdessen sitze ich mit drei etwas älteren Punks auf dem Boden, auf der Herrfurthstraße Ecke Weisestraße, höre Deutschpunk aus Kassetten und versuche mein warmes Sterni leer zu trinken. Einen Gettoblaster, einen alten Rattansessel und ein Gemälde des Berliner Doms vor dem Krieg haben sie dabei.

Manche Passanten denken wohl, es sei eine Performance oder Teil eines der vielen Festivals und werfen ein paar Münzen neben einen kleinen, zweifarbigen Hund, der, als wäre ihm auch alles zu viel, nur schläft. Auch die Polizei schaut kurz hin und fährt weiter.

„Ist das Normahl?“ fragt ein Mann, vielleicht so alt wie die Punks, und zeigt auf den Kassettenrekorder. Noch berührt kommt er Minuten später zurück und spendiert eine Tüte voller Bier. Ohne vom Rad abzusteigen hört er noch ein Lied mit und macht sich dann auf den Weg.

„Ist das Normahl, ist das normal?“, fragen die Punks immer wieder und kriegen sich gar nicht mehr ein.

Luciana Ferrando