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Wer nicht investiert, kann nicht länger Kurort sein

Erholung In Niedersachsen gibt es mehr als 100 Kurorte. Doch während die Kleinstadt Bad Bevensen in neue Gebäude, Freizeitangebote und sogar ein Thermenhotel investiert, wird der Stadt Bad Fallingbostel das Kurprädikat aberkannt

Bad Fallingbostel hat sich noch nicht von den Folgen der Gesundheitsreform erholt. Das frühere Sanatorium hat sich längst auf Hightech-Medizinspezialisiert

Erholungssuchende, die durch grüne Parks flanieren und es sich in Wellness-Tempeln gut gehen lassen: Gesundheitsreisen haben eine lange Tradition. In Deutschland gibt es Hunderte staatlich anerkannte Kur- und Erholungsorte, davon mehr als 100 allein Niedersachsen. Allerdings sind mit diesem Konzept längst nicht mehr alle Standorte erfolgreich.

Auch Bad Fallingbostel war 40 Jahre lang ein „Luftkurort“ – doch heute ist das „Bad“ im Namen nur noch eine Zierde. 2015 hat die 10.000-Einwohner-Stadt im Heidekreis das Kurprädikat nach 40 Jahren verloren. Die Gründe sind vielschichtig. Um das Prädikat zu erhalten, müsste die Stadt alle zehn Jahre auf eigene Kosten ein 18.000 Euro teures Luftgutachten erstellen lassen.

Eine Investition, die sich diesmal für die Kleinstadt kaum gelohnt hätte, sagt Bürgermeisterin Karin Thorey (parteilos): „Die Luftwerte wären vermutlich zu schlecht gewesen, wir hätten das Prädikat ohnehin nicht erhalten.“ Thorey verweist auf die große Baustelle im Ortskern und den starken Verkehr in einigen Ortsteilen, ein Nebeneffekt der angrenzenden Autobahn 7. Hätte man da nicht frühzeitiger gegensteuern können?

„Es geht nicht nur um die Luftwerte“, wiegelt Thorey ab. „Wir haben nur noch zwei Badeärzte, beide über 70 Jahre alt. Auch ein Sanatorium fehlt.“ Ohne diese Kriterien könne Bad Fallingbostel nicht weiter ein „Luftkurort“ sein.

Doch nicht allen Kurorten ergeht es so wie Bad Fallingbostel. Bad Bevensen, der Ort mit dem einzigen Mineralbad in der Lüneburger Heide, setzt derzeit voll auf den Gesundheitstourismus. Seit 2010 hat die Stadt das Wellness- und Kulturangebot massiv ausgebaut und öffentliche Investitionen getätigt.

Mitte Juni wurde nun ein neues Kurhaus eröffnet: 5,9 Millionen hat der Bau gekostet, 500 Besucher sollen darin Platz finden. Zudem wurden Kurpark, Fußgängerzone und Wege in den vergangenen sechs Jahren barrierefrei gestaltet, das städtische Thermalbad ausgebaut, die Stadtbeleuchtung modernisiert. Rund zwanzig Millionen Euro hat all das insgesamt gekostet.

Doch warum investiert die eine Stadt in ihren „Kurort“-Status, während sich ein solches Engagement anderswo offenbar nicht mehr lohnt? Gerhard Kreutz, Veranstaltungsleiter in Bad Bevensen, hat dafür eine simple Erklärung: Umdenken sei gefragt, denn aus touristischer Sicht lohne es sich nicht mehr, nur auf Kranke zu setzen. „Mit neuen Freizeitangeboten wollen wir gezielt auch Tagestouristen und junge Leute ansprechen“, sagt Kreutz.

Die Auswirkungen einer bundesweiten Gesundheitsreform in den Neunzigerjahren hätten Bad Bevensen, so wie viele andere Kurorte in der Region, hart getroffen. Seither ist es nicht mehr so einfach, eine Kur bewilligt zu bekommen, die Dauer der Kuraufenthalte fällt kürzer aus und Kranke müssen mehr zuzahlen.

„Die Besucherzahlen gingen nach der Reform bis etwa 2006 deutlich zurück. Danach haben wir bereits in neue Freizeitangebote investiert. Für uns hat es sich gelohnt, neue Wege zu gehen“, sagt Kreutz. Zumal Kurorte sich heute in einer stärkeren Konkurrenz zueinander befänden als früher. „Der Gesundheitstourismus hat sich verändert, heute ziehen wir mehr Selbstzahler an, Menschen, die selbst etwas für die eigene Gesundheit und Naherholung tun wollen. Und wenn es nur darum geht, dem stressigen Alltag für ein oder zwei Tage zu entfliehen“, sagt Kreutz.

In der Folge verglichen die Besucher auch kritischer, was in den einzelnen Orten und Regionen geboten werde und suchten sich ihr Reiseziel dementsprechend bewusster aus. Heute bietet Bad Bevensen neben Erholung in der warmen Jod-Sole auch Lachyoga-Kurse, Sport und Kulturangebote. Ein weiterer Touristenmagnet sei der wöchentliche verkaufsoffene Sonntag, ist Kreutz überzeugt. In den letzten beiden Jahren bewegten sich die Touristenzahlen in Bad Bevensen um 500.000 Personen pro Jahr.

Bad Fallingbostel hat sich von den Folgen der Gesundheitsreform indes noch nicht erholt. In den Siebziger- und Achtzigerjahren sei die Stadt zwar ein „florierender Kurort mit Tausenden Kurgästen“ gewesen, sagt Bürgermeisterin Thorey, zuletzt seien in Bad Fallingbostel aber nur noch etwa 20 Kurgäste pro Jahr gewesen, darunter Privat- und Kassenpatienten.

„Früher kamen viele Menschen wegen der Kneipp-Therapien, dieser Trend ist inzwischen abgeflaut und wurde durch andere Wellness-Angebote ersetzt“, sagt Thorey. Auch das frühere Sanatorium heißt nun „Klinik Fallingbostel“ und hat sich längst auf Hightech-Medizin für Lungen- und Herzpatienten spezialisiert.

Dass der einstige Kurort das „Bad“ im Namen weiter tragen darf, ist im niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz festgeschrieben. Der Ort will ohne Kurortprädikat weiter auf „weichen Tourismus“ wie den Ausbau von Rad- und Wanderwegen setzen.

Die Stadt Bad Bevensen plant indes schon weiter: Für ein neues Thermenhotel wurde bereits ein Investor gefunden.Annika Lasarzik

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