: Freunde im Visier
Überwachung Das Parlamentarische Kontrollgremium zeigt, wie stark der BND Ziele mit EU- und Nato-Bezug überwacht hat – und wie lange die Bundesregierung das vertuschte
von Christian Rath
„Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“, erklärte Kanzlerin Angela Merkel am 24. Oktober 2013. Zuvor hatte der Whistleblower Edward Snowden die weltweite Massenüberwachung des US-Geheimdienstes NSA enthüllt. Auch das Handy von Kanzlerin Merkel stand auf einer NSA-Liste.
Zwei Tage nach dem Merkel-Spruch meldete sich BND-Chef Wolfgang Schindler im Kanzleramt. Die BND-Abteilung Technische Aufklärung (TA) habe ihm gerade mitgeteilt, dass auch der BND die Partner Deutschlands überwache. Mit Hilfe von Telefonnummern, E-Mail- und IP-Adressen (sogenannten Selektoren) filtere man Kommunikation aus dem weltweiten Datenstrom. In der Folge sperrte der BND rund 15.000 Selektoren, die zu 3.300 Zielen mit EU-/Nato-Bezug führten, und speicherte sie in einer Liste. Die Öffentlichkeit und die Kontrolleure des Bundestags erfuhren nichts davon.
Im April 2015 wurde jedoch bekannt, dass der BND mit Hilfe von Selektoren, die ihm die NSA zur Verfügung gestellt hatte, auch EU-Regierungsstellen und Unternehmen überwachte. Erst jetzt forderte Kanzleramtschef Peter Altmaier einen umfassenden Bericht über die BND-eigenen Selektoren mit EU-/Nato-Bezug an. Und erst im Oktober informierte die Regierung das PKGr über die exzessiven Aktivitäten des BND – zwei Jahre, nachdem sie selbst davon erfahren hatte. Via Spiegel wurde der Skandal öffentlich.
Kanzlerin Merkel im Oktober 2013
Das PKGr beauftragte drei seiner Mitglieder – Armin Schuster (CDU), Uli Grötsch (SPD) und Christian Ströbele (Grüne) – mit einer Untersuchung. Mit Hilfe einer Task Force aus Beamten sichteten sie vor allem die vom BND angelegte Liste der 33.00 Ziele mit EU-/Nato-Bezug. Dabei stellten sie fest, dass eine „niedrige zweistellige“ Anzahl befreundeter Staats- und Regierungschefs bespitzelt wurde, sowie eine „hohe zweistellige“ Zahl von Ministerien in EU-/Nato-Staaten. Namen wurden nicht genannt. Den Großteil der Ziele machten diplomatische Vertretungen und Einzelpersonen aus.
Das PKGr stellte fest, dass der BND praktisch machen konnte, was er wollte. Die gesetzlichen Grundlagen waren viel zu weit. Es gab auch keine einschränkenden internen Dienstanweisungen, wie mit sensiblen Zielen etwa EU-/Nato-Partnern, Medien und NGOs verfahren werden soll. Ein Regierungschef geriet zum Beispiel in die Überwachung, weil er einmal in einem Entführungsfall ein Telefonat geführt hatte. Die Selektoren wurden später aber nicht mehr abgeschaltet. Der PKGr-Bericht bemängelt, dass viele der Überwachungsanordnungen unverhältnismäßig waren, weil der geringe mögliche Nutzen in keinem Verhältnis zum möglichen politischen Schaden stand.
In einem Sondervotum kritisierte Christian Ströbele, dass der BND auch Deutsche überwacht hat, wenn sie als „Funktionsträger“ für ausländische Unternehmen oder internationale Organisationen arbeiteten. Die Mehrheit des Gremiums bezeichnete diese Praxis nur als „umstritten“.
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