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Archiv-Artikel

In Norwegen regiert Rot-Rot-Grün

Neue Regierung will Sozialstaat weiter ausbauen und außenpolitisch auf Distanz zu Washington gehen. Erstmals seit 20 Jahren gibt es keine Minderheitsregierung mehr

STOCKHOLM taz ■ „Man soll ja vorsichtig sein mit dem Begriff historisch, aber das ist wirklich ein historischer Tag“, erklärte Norwegens künftiger Ministerpräsident Jens Stoltenberg, als er am Donnerstagabend in Oslo das 73-seitige Programm seiner Regierung vorstellte. Nach mehr als zweiwöchigen Koalitionsverhandlungen hatte sich seine sozialdemokratische Arbeiterpartei mit der rot-grünen Linkspartei und der grünen Zentrumspartei geeinigt. Damit ist Norwegens erste rot-rot-grüne Regierung aufgrund des Ergebnisses der Parlamentswahlen vom 12. September ein Faktum.

Erstmals seit 20 Jahren wird das Land nicht von einer Minderheitsregierung geführt, sondern kann sich auf eine parlamentarische Mehrheit stützen. Zudem besteht das Kabinett jetzt erstmals mehrheitlich aus Frauen.

Politisch steht der Ausbau des Sozialsystems auf dem Programm. Für Alten- und Kinderbetreuung, das Gesundheitswesen, Schulen und mehr Leistungen für Arbeitslose sind steigende Budgetmittel geplant. Finanziert wird dies über Steuererhöhungen und nicht, wie teilweise gefordert, durch stärkere Zugriffe auf die Einnahmen aus der Ölförderung.

Während die Weiterentwicklung des Wohlfahrtsstaats in den Koalitionsverhandlungen weitgehend unstrittig war, sind in der Umwelt- und Industriepolitik Kompromisse gefragt. Hier klaffen die Positionen der Arbeiterpartei und der beiden Juniorpartner auseinander. Linkspartei und Zentrum müssen auf zentrale Forderungen verzichten.

Neue Signale will die Regierung Stoltenberg in der Außenpolitik setzen und stärker auf Distanz zu Washington gehen. Oslo wird sowohl seine – aus einem Dutzend Offizieren bestehende – Truppe aus dem Irak abziehen als auch seine Beteiligung an der Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan beenden. Künftig will sich das Nato-Mitglied Norwegen nur noch an Militäreinsätzen beteiligen, die unter dem Mandat der Vereinten Nationen stehen. Was die EU angeht, so wird das Land die Frage einer möglichen Mitgliedschaft in den kommenden vier Jahren „nicht aktualisieren“.

Von den 19 Kabinettsposten werden die Sozialdemokraten zehn besetzen, während fünf Minister an die Linkspartei und vier an die grüne Zentrumspartei gehen. Die genaue personelle Zusammensetzung wird erst am Montag bekannt gegeben, nachdem König Harald laut Verfassung informiert wurde. Die Besetzung des Finanzressorts mit der Vorsitzenden der Linkspartei Kristin Halvorsen und die Besetzung des Innenministeriums durch die Zentrum-Vorsitzende Åslaug Haga stehen aber bereits fest. REINHARD WOLFF