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Anschlag auf Schiiten in Bagdad

IRAK Die IS-Miliz bekennt sich zu dem schwerstem Angriff in der Hauptstadt seit Monaten. Mehr als 100 Menschen sterben in einem belebten Geschäftsviertel

Nach dem Anschlag in Bagdad: Irakerinnen warten auf vermisste Angehörige Foto: Khalid Mohammed/ap

BAGDAD/BERLIN ap/afp/taz | Bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad sind in der Nacht zum Sonntag mindestens 119 Menschen getötet und über 140 weitere verletzt worden, als im Zentrum der irakischen Hauptstadt in dem Geschäftsviertel Karada eine Autobombe detonierte. Diese Zahlen nannten Sicherheitskräfte in Bagdad am Sonntagnachmittag. Der „Islamische Staate“ (IS) bekannte sich zu der Tat. Bei einem zweiten Anschlag im Osten der Stadt kamen neun weitere Menschen ums Leben, elf weitere wurden verletzt.

Die Angriffe trafen den Irak kurz vor dem Ende des Fastenmonats Ramadan, wenn die Straßen der Hauptstadt nach Sonnenuntergang von jungen Menschen und Familien gesäumt werden. Der IS teilte online mit, mit dem Anschlag in Karada habe man Schiiten treffen wollen. Das Bekenntnis konnte nicht unabhängig überprüft werden. Der IS hat in der Vergangenheit häufiger Angriffe auf Zivilisten in überwiegend schiitischen Vierteln der irakischen Hauptstadt verübt.

Ein Augenzeuge in Karada berichtete, dass die Explosion in umliegenden Geschäften zu Bränden geführt habe. Die Feuerwehr versuchte stundenlang, die Feuer zu löschen, Krankenwagen rasten zum Tatort. Leichen wurden aus abgebrannten Gebäuden geborgen. Unter den Opfern waren viele Kinder.

Stunden nach dem Attentat besuchte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi den Ort. In Videos in sozialen Netzwerken ist eine wütende Menschenmenge zu sehen. Einige beschimpfen al-Abadi als Dieb, andere bewarfen seinen Konvoi mit Pflastersteinen aus Wut über die Unfähigkeit der Regierung, das Viertel zu schützen.

Das zweite Attentat ereignete sich im Osten der Stadt. Dort detonierte um Mitternacht ein selbstgebauter Sprengsatz. Auch in diesem Viertel leben mehrheitlich Schiiten. Zu der zweiten Tat bekannte sich zunächst niemand.

Erst vor rund einer Woche war die vom IS kontrollierte Stadt Falludscha von der irakischen Armee zurückerobert worden. Falludscha liegt westlich von Bagdad. Laut der britischen BBC gehen die Behörden davon aus, dass Angriffe auf die Hauptstadt dort geplant wurden.

Trotz Erfolge der Regierungstruppen kann der IS weiterhin Anschläge verüben

In den vergangenen Monaten konnten die irakischen Streitkräfte weitere Territorien des IS zurückerobern. Darunter waren etwa die Großstadt Ramadi und die Orte Hit und Rutba. Auch in Syrien steht der IS militärisch unter Druck; derzeit rücken von den USA unterstützte Gruppen in Richtung seiner dortigen Hochburg Rakka vor.

Trotz der Erfolge der Regierungstruppen im Irak hat der IS jedoch immer wieder gezeigt, dass er weiterhin in der Lage ist, Anschläge weit von den Frontlinien entfernt zu verüben. Zudem kontrollieren die Extremisten nach wie vor Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, sowie weite Landstriche im Norden und Westen des Landes. Während der IS 2014 noch fast ein Drittel des Irak erobert hatte, kontrolliert sie nach Regierungsangaben heute noch etwa 14 Prozent des Staats­gebietes. B.S.

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