Der Lobbyist der Woche: Ich, Richard Wagner
Ginge es nicht um allerhöchstes Kulturgut, das über Stunden schweigsam – leichtes Hüsteln ist mit knisterfreien Taschentüchern zu dämpfen –, vor allem aber andächtig in der weihevollen Enge des Opernhauses auf dem Grünen Hügel verfolgt wird, würde man sagen: Popcorn raus und dem Theater folgen, twittern – Hashtag #wagnerwahnsinn – und herzhaft lachen.
Aber nein, es geht um Richard Wagner, seine Opern, die Festspiele in Bayreuth. Noch bevor sie begonnen haben – bislang wird dort nur geprobt –, gibt es Ärger. Der, der ihn wohl verursacht hat, ist der von Intendantin Katharina Wagner, #richardsurenkelin, hochgeschätzte Dirigent Christian Thielemann (Foto). Lange schon ist er im Sommer quasi zu Hause auf dem Hügel. Seit 2015 sogar mit eigenem Parkplatzschild, auf dem sein neuer Titel steht: „Reserviert für Musikdirektor C. Thielemann“. Früher stand da nur „Dirigent“.
Das Parkplatzschild als Signet der Macht. Manch einem würde das ausreichen. Thielemann versteht es dagegen als Auftrag und greift jetzt, so wird berichtet, gerne zum Telefon, ruft während der Proben die Kollegen Maestri im Orchestergraben an und erteilt Ratschläge.
In Musikkritikerkreisen heißt es, Thielemann sehe sich als Reinkarnation Richard Wagners. Ein Lobbyist für – sich selbst. Marek Janowski, ein Altstar des Wagnerfachs, lege bei solchen Anrufen einfach auf. Der jüngere und vielleicht etwas sensiblere Kollege Andris Nelsons aber, gebucht als Dirigent des Parsifal und in Bayreuth ebenfalls geschätzt, hat gekündigt. „Leider“ hätten „die Umstände“ nicht die Atmosphäre ermöglicht, die er für seine künstlerische Arbeit benötigt, teilte sein Management mit. Nelsons bleibt dem Hügel lieber fern. Vielleicht hat der Musikdirektor selbst ja Lust auf Parsifal. Felix Zimmermann
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