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Zwischen allen Künsten

FestivalDie diesjährige Ausgabe der „Foreign Affairs“ widmet sich dem Thema „Uncertainty“. Ungewiss sind neben der Weltlage auch die Grenzen zwischen den künstlerischen Disziplinen geworden

von Katharina Granzin

In die wärmste Zeit des Jahres und in das bevorstehende Ende der Bühnensaison fällt das Festival „Foreign Affairs“, dessen selbstbeschreibende Unterzeile „International Performing Arts Festival“ einen gleich mehrfachen inhaltlichen Anspruch beschreibt. Tatsächlich liegt das, was „Foreign Affairs“ nun zum fünften (und in dieser Form letzten) Mal unter dem Dach der Berliner Festspiele betreibt, so quer zum üblichen Geschehen auf Theaterbühnen, dass es über den herkömmlichen Begriff von Theater hinausweist. Vom 5. bis zum 17. Juli hat sich eine Reihe von Veranstaltungen dem Performativen verschrieben, geht dabei aber die unterschiedlichsten Wege.

Ein künstlerischer Grenzgänger besonderen Formats ist der Südafrikaner William Kentridge. Im Martin-Gropius-Bau wurde bereits im Mai die Ausstellung „No it is!“ eröffnet, die dort auch noch bis zum 21. August zu sehen sein wird. Allein die Existenz dieser Einzelschau macht deutlich, dass Kentridge in diesem Jahr der unausgesprochene Dreh- und Angelpunkt von „Foreign Affairs“ sein wird, denn ein beträchtlicher Teil des Festivalprogramms ist gleichzeitig das Rahmenprogramm zur Ausstellung. Kentridge, der ungemein vielseitig ist, hat unter anderem Politik studiert und jahrelang als Schauspieler gearbeitet.

Seine Karriere als Künstler begann er mit Animationsfilmen. Die Ausstellung zeigt eine Menge davon in unterschiedlichsten Formaten. Manche sind auf winzigen Monitoren zu betrachten, andere füllen als Videoinstallation einen großen Saal.

Gezeichnetes vergeht

Der künstlerische Prozess, der Lauf der Zeit, spielt in vielen davon eine Rolle. Gezeichnetes entsteht, vergeht, wird Teil des Films, zerstört. Der Künstler filmt sich selbst beim Verrichten immer gleichbleibender Handlungen. Die größte filmische Installation, vielleicht auch die rätselhafteste, „More sweetly play the dance“, wird während des Festivals auch allabendlich im Haus der Berliner Festspiele zu sehen sein, das zudem fast täglich ein weiteres Kentridge-Filmprojekt zeigt sowie die szenisch-musikalische Performance „Winterreise“, der Franz Schuberts gleichnamiger Liederzyklus als Soundtrack dient.

Die Verwendung von Schuberts „Winterreise“ verbindet Kentridges Werk mit einer ansonsten recht andersartigen Produktion aus Belgien, dem Stück „En avant, marché!“, einem Gemeinschaftwerk der Regisseure Alain Platel und Frank Van Laecke in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Steven Prengels und einer Blaskapelle. Blaskapellen spielen traditionellerweise eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben flämischer Kleinstädte. Anhand der Mitglieder eines solchen Ensembles erzählt das Stück episoden­artig eine Reihe individueller Einzelschicksale nach, bedient sich dabei aber nicht primär sprachlicher, sondern vor allem musikalischer und tänzerisch-choreografischer Mittel. Die Bühnenmusik ist zu einem Teil hochromantisch – Wagner, Mahler, Verdi, Schubert – und wird zum anderen bestritten aus dem Repertoire amerikanischer Brassbands.

Genau wie Alain Platel, der zuletzt mit seinem Gehörlosen-Tanzstück „tauberbach“ in Berlin sehr gefeiert wurde, ist auch das „Nature Theatre of Oklahoma“ in der Stadt nicht unbekannt. Franz Kafka war der Namensgeber für den Namen der Kompanie, die vor allem aus den beiden Gründern Kelly Copper und Pavol Liska besteht. Copper und Liska haben die Grenze ­zwischen Film und Theater weitgehend aufgehoben. „Ihre Filmdrehs sind durchchoregrafiertes Mitmachtheater“, beschreibt das Programmbegleitheft ihre Arbeitsweise. Die fertigen oder auch die unfertigen Filme werden anschließend wieder in den Theatersaal überspielt. Während dieses Festivals wird ein Film gedreht werden, der schon jetzt den Titel „Germany Year 2071“ trägt. Für die Drehtermine, die an verschiedenen Orten der Stadt stattfinden, werden jene Zuschauer, die mitspielen wollen, gebeten, in zum jeweiligen Anlass passenden Outfits zu erscheinen. Das ist je nach Anlass mehr oder weniger herausfordernd. Während an einem Abend „Zuhälter- und Stricher-Outfits aus der Zukunft“ gefordert werden, reicht an einem anderen das Mitführen eines Regenschirms, um dabei sein zu können.

Insgesamt hat man die diesjährigen Foreign Affairs unter das Schlagwort „Uncertainty“ gestellt. „Ungewissheit“ passt ja im Prinzip immer, denn was in dieser Welt ist schon jemals sicher gewesen. Doch sicher ist ein dem Performativen, einer künstlerisch überformten Art des Handelns, gewidmetes Festival, ein besonders geeigneter Rahmen, um den Ungewissheiten im Leben und Tun des Menschen spielerisch nachzuforschen. Vielleicht am explizitesten von allen füllt die Needcompany diesen inhaltlichen Rahmen mit ihrem Stück „The blind poet“. Darin werden Lebensgeschichten einzelner Personen zu einem Gesamtbild zusammengesetzt, das zeigt, welch unendlich unterschiedliche kulturelle Ausformungen und Entwicklungen die Identität eines Individuums annehmen kann. Auch seiner selbst kann sich ja niemand wirklich sicher sein.

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