Der Sieg des eigenen Teams ist ihnen egal

HOOLIGANS In der Partie gegen Tschechien festigten kroatische Fans ihren schlechten Ruf. Was sie umtreibt, ist vor allem Hass auf die korrupten Fußballfunktionäre ihres eigenen Verbandes

Bengalos aus kroatischem Zuschauerblock? Foto: Mast Irham/dpa

von Doris Akrap

Für die Uefa wird es an diesem Montag knifflig. Sie muss nach den Ermittlungen zu den Ausschreitungen im kroatischen Fanblock beim Spiel Kroatien – Tschechien ein Urteil fällen, das niemand zufriedenstellen kann.

Die kroatischen Fans, die Bengalos und Böller aufs Spielfeld geworfen hatten, was zu Spielunterbrechung und Schlägereien innerhalb des kroatischen Fanblocks führte, sind keine gewöhnlichen Hooligans. Ihr Ziel ist nicht der Krawall. Ihr Ziel ist der kroatische Fußballverband (HNS).

Zunächst könnte man meinen, die Fans hätten wieder mal nur bewiesen, dass sie sind, was ihr prominentester Gegner, Michel Platini, ihnen im Jahr 2012 bescheinigt hatte: „Arschlöcher“. Immer wieder waren sie mit rassistischen Gesängen und faschistischen Parolen in den Stadien aufgefallen, beim EM-Qualifikationsspiel in Split 2015 war sogar ein Hakenkreuz in den Rasen graviert worden.

Das Hakenkreuz jedoch war ein Trick. Zwar bejubeln etliche kroatischen Hooligans auch den kroatischen Faschismus. Sein Symbol aber ist das U der Ustaša, kroatische Faschisten, die unter Ante Pavelićvon 1941 bis 1945 das Land regierten. Anders als das Hakenkreuz wird das U aber außerhalb Kroatiens nicht sofort als Symbol des Bösen erkannt. Und also muss man annehmen, dass die Fans nicht ihre ideologische Nähe demonstrieren, sondern dem kroatischen Verband größtmöglichen Imageschaden zufügen wollten.

Also Arschlöcher. O. k. Platini und die Uefa jedoch sind Teil des Problems, um das es den kroatischen Hooligans geht. Platini nämlich hätte mit gutem Recht auch die führenden Figuren des kroatischen Verbands (HNS) als Arschlöcher titulieren können. Das passierte jedoch nicht. Im Gegenteil. 2015 wurde Davor Šuker, ehemaliger Weltfußballer und amtierender Präsident des HNS, in das Exekutivkommittee der Uefa berufen. Und das, obwohl die gegen ihn im Rahmen des Wettskandals um Ante Sapina eine Disziplinaruntersuchung einleiten musste. Dass Suker wegen illegalen Schmuggels antiker griechischer Münzen im Wert von 25.000 Euro verurteilt wurde und vor dem Grab Ante Pavelićs salutierte, machte ihn für die Uefa auch nicht weiter suspekt. Seit Jahren demonstrieren kroatische Fanclubs gegen den eigenen Verband, dem sie Korruption vorwerfen. Der Sieg des eigenen Teams ist ihnen egal. Die Fans des größten Vereins, Dinamo Zagreb, gehen nicht mal mehr in ihr eigenes Stadion, sondern versammeln sich davor und protestieren gegen den ehemaligen Manager ihres Clubs, den heimlichen Herrscher des kroatischen Fußballs, Zdravko Mamić.

Mamić, offiziell nur noch „Berater“ des Vereins, saß mehrfach in Haft, wurde rechtskräftig verurteilt und hat etliche Gerichtsverfahren wegen Veruntreuung von Vereinsgeldern, Steuerhinterziehung und Bestechung hinter sich. Der kroatische Verband gilt als Mamićs Privatunternehmen. Spieler, Trainer und Verbandsposten, heißt es, werden nicht ohne seine Zustimmung besetzt.

Etliche Spieler, die er ins Ausland verkauft hatte, darunter Luka Modrićund Dejan Lovren, mussten Verträge unterzeichnen, in denen festgelegt wurde, dass sie während ihrer aktiven Fußballerkarriere 20 Prozent ihres jährlichen Einkommens an den Verband, also Mamić, abtreten müssen.

Ihr Ziel ist nicht der Krawall an sich und Gewalt gegen andere

Über Facebook wurde am Wochenende ein Foto verbreitet, dass Mamićvor dem Spiel am Freitagabend zeigt, wie er nur wenige Meter vom Spielfeld entfernt dem Trainer etwas zuruft, was aussieht, als würde er ihm Anweisungen geben. Der Trainer, außer Stationen in Libyen und beim FK Maribor ohne besondere Qualifikationen, gilt als Marionette von Mamić, so wie auch Davor Šuker. Dessen Nähe zur politischen Rechten ist ebenso bekannt wie die des Ex-Herthaners Josip Simunić, der von der Fifa für die WM 2014 disqualifiziert worden war, nachdem er beim letzten Quali-Spiel den Schlachtruf der Ustaša mitgegrölt hatte und trotzdem zum Co-Trainer berufen wurde.

In Kroatien ist der Mafia-Filz kaum Thema. Man verurteilt die Hooligans drastisch, der Trainer nennt sie „Terroristen“, die Präsidenten des Landes „Feinde Kroatiens“, und selbst seriöse Zeitungen mutmaßen, es handele sich bei ihnen vielleicht sogar um Serben oder Bosnier.

Ein politischer Irrsinn, mit dem die Uefa nun umgehen muss. Einerseits kann sie sich nicht in politische Angelegenheiten einmischen. Andererseits kann sie nicht einfach nichts tun. Wenn der Verband also den Kroaten wie im Falle Russlands eine Bewährungsstrafe erteilt, werden die Fans alles daransetzen, erneut einen Vorfall zu konstruieren, der das Team ausscheiden lässt.

Denn das ist ihr Ziel. Zur Not werden sie dafür vielleicht auch außerhalb des Stadions tätig.