Kliniken und Staatsanwälte haben versagt

Krankenhaus-Mörder

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Morde des Krankenpflegers Niels H. auch durch ein multiples Versagen aller Kontrollmechanismen begünstigt wurden. Schon bei seiner Verurteilung wegen zweifachen Mordes im Februar 2015 war klar, dass Niels H. weitere PatientInnen ermordet hatte. Am vergangenen Mittwoch gaben Polizei und Staatsanwaltschaft in Oldenburg ihren vorläufigen Ermittlungsstand bekannt: Mindestens 39 PatientInnen in den Krankenhäusern in Delmenhorst und Oldenburg starben, nachdem er ihnen Medikamente gespritzt hatte, die bei Überdosierung zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und Blutdruckabfall führen. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft tat er das, um die PatientInnen dann reanimieren zu können – aus Profilierungssucht oder Langeweile.

Schon jetzt wird der Krankenpfleger als Serienmörder mit den meisten Opfern in die bundesdeutsche Geschichte eingehen. Zumal: Bei der Zahl von 39 Ermordeten wird es aller Voraussicht nach nicht bleiben. Die Ermittlungen werden noch erheblich ausgeweitet. Weitere PatientInnen, die während der Dienstzeit des Krankenpflegers starben, sollen exhumiert und nach Rückständen der tödlichen Medikamente untersucht werden. Es besteht der Verdacht, dass Niels H. zwischen den Jahren 2000 und 2005 für den Tod von mehr als 100 Menschen verantwortlich sein könnte.

Die Mordserie verdeutlicht zugleich das Totalversagen beider Krankenhäuser und der Staatsanwaltschaft. In Delmenhorst und Oldenburg wird gegen acht Krankenhausverantwortliche wegen Totschlags durch Unterlassen ermittelt. Obwohl es eindeutige Hinweise auf die Taten gegeben habe, seien keine Maßnahmen zum Schutz der Patienten eingeleitet worden.

Die Arbeit der Staatsanwaltschaft bezeichnet Christian Marbach, der die Angehörigen der Mordopfer vertritt, als „justizpolitischen Skandal“. Bereits 2006 hatten sich Anzeichen verdichtet, dass Niels H. für mehr Morde verantwortlich sein könnte. Den Prozess gegen einen Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung ließ das zuständige Gericht jedoch nicht zu. AZ