: Die Unterwelt entdeckt die Umwelt
Kriminalität Die Vereinten Nationen schlagen Alarm: Umweltverbrechen wie der Schmuggel von Holz, Fisch oder Rohstoffen nehmen rasant zu. Beteiligt sind daran internationale Gangs
von Bernhard Pötter
Aber der Fall hat eine weitaus größere Dimension: Weltweit nimmt derzeit nach einem Bericht der UNO die Umweltkriminalität rasant zu. Inzwischen werde beim illegalen Handel mit Holz, Tieren und Rohstoffen und bei solch verbotenen Finanzgeschäften mehr Geld umgesetzt als beim Waffenschmuggel.
Der monetäre Wert aller Umweltverbrechen „wird auf zwischen 91 und 258 Milliarden Dollar jährlich geschätzt“, ist das Fazit des aktuellen Reports „The Rise of Environmental Crime“, den das UN-Umweltprogramm Unep und die Polizeibehörde Interpol gemeinsam herausgegeben haben. Das sei „ein Anstieg um 26 Prozent gegenüber 2014“.
Nach Drogenhandel, dem Dealen mit gefälschten Markenprodukten und Menschenhandel sei die Ökokriminalität, gemessen am Geldwert, damit „das viertgrößte Verbrechen weltweit“. Unep-Chef Achim Steiner sagt dazu: „Die riesigen Geldsummen finanzieren ausgeklügelte internationale Verbrechergangs und verbreiten Unsicherheit in der Welt.“
Nach Statistiken und Schätzungen der Behörden bringt allein der illegale Holzhandel zwischen 50 und 150 Milliarden Dollar jährlich ein. Der illegale Bergbau etwa von Gold mache bis zu 48 Milliarden aus, die Raubfischerei garantiere Gewinne zwischen 11 und 24 Milliarden, der Müllhandel bis zu 11 Milliarden Dollar. Jährlich wachse dieses schmutzige Geschäft um 5 bis 7 Prozent, „zwei- bis dreimal so schnell wie die Weltwirtschaft“. Den Staaten gingen durch diese Verbrechen bis zu 26 Milliarden Dollar an Steuern verloren – von den Folgen durch Abholzung, vergiftete Flüsse, verschwundene Arten und Kosten für Krankheiten oder Migration ganz zu schweigen. Der klassische Schmuggel von Tier- und Pflanzenarten – 7 bis 23 Milliarden Dollar jährlich – „verblasst neben den größeren Umweltverbrechen“, heißt es in dem Bericht.
Unep und Interpol sehen weltweite kriminelle Netze am Werk, die nicht nur mit Drogen oder Menschen handeln, sondern mit viel Geld und geringem Risiko Holz, Fisch oder illegale Chemikalien verkaufen. „Kriminelle mit Schlips und Kragen“ machten auf neuen Märkten wie dem Emissionshandel Millionen. Dabei verdienen sie ihr Geld mit eigentlich legalen Vorgängen, betrügen den Staat aber bei den Steuern. Die UN-Statistik führt sie genauso als „Umweltverbrechen“ wie den illegalen Raubbau an natürlichen Resourcen. Manche illegalen Fangschiffe zögen Fische im Wert von 200 bis 300 Millionen Dollar aus dem Wasser.
Die Probleme sind so groß, dass zum ersten Mal auch die UN-Behörde zu Drogen und Verbrechen Unodoc einen „World Wildlife Crime Report“ erstellt hat. Demnach wurden im letzten Jahr in aller Welt in 165.000 Fällen Schmuggler gefasst, die 7.000 geschützte Arten verkaufen wollten – am häufigsten seltene Hölzer für Möbel, Elfenbein und Reptilien. Der Besitz von illegalen Arten müsse weltweit verboten werden, um das Verbrechen wirksam zu bekämpfen, fordert die Kommission der Vereinten Nationen.
Auf die Finanzierung von Terror und Krieg durch illegalen Handel mit Arten weisen auch Unep und Interpol hin. So finanziere sich der Bürgerkrieg in Zentralafrika, aber auch der Terror von IS, al-Qaida und al- Shabaab teilweise durch illegales Holz, Holzkohle, Öl und Antiquitäten. Wirksamstes Mittel dagegen seien Investitionen in Transparenz, eine gute Überwachung der Behörden und die verbesserte Ausbildung der Polizei. In Brasilien habe die Straffung der Kompetenzen bei der Bundespolizei geholfen, die illegale Rodung am Amazonas einzudämmen. Allerdings vermerkt der Bericht auch, die Entwicklungshilfe für diese Projekte sei in den letzten Jahren immer weiter ausgetrocknet.
Dabei würde sich die Investition lohnen: Bisher verlieren die Staaten „10.000-mal mehr an Wert durch den Schmuggel“ als die 20 bis 30 Millionen Dollar, die internationale Behörden ausgeben, um ihn zu bekämpfen. Allein in Tansania seien im letzten Jahrzehnt etwa 3.000 Elefanten getötet worden. Der Wert ihres Elfenbeins betrage auf dem Schwarzmarkt etwa 10 Millionen Dollar – fünfmal so viel wie Tansanias Budget für Wildtierschutz.
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