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Die türkeistämmige Community ist gespalten

Gegensätze Die Dachverbände aus der Türkei stammender EinwanderInnen in Berlin vertreten in der Debatte über die Armenien-Resolution des Bundestags unterschiedliche Haltungen. Und werden dennoch gerne verwechselt. Der Versuch einer Ordnung

Fast einstimmig wurde die Armenien-Resolution im Bundestag beschlossen. Darin wird die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern als Völkermord bezeichnet Foto: Michael Kappeler/dpa

Von Alke Wierth

Ach­tung, Ver­wechs­lungs­ge­fahr: TBB und TGD hei­ßen die zwei gro­ßen lo­ka­len Or­ga­ni­sa­tio­nen, zu denen sich Ver­ei­ne tür­kei­stäm­mi­ger Ein­wan­de­rIn­nen in Ber­lin zu­sam­men­ge­schlos­sen haben. Dass der Tür­ki­sche Bund Ber­lin-Bran­den­burg (TBB) Mit­glied im bun­des­wei­ten Dach­ver­band Tür­ki­sche Ge­mein­de Deutsch­land (TGD) ist, führt häu­fig zu Ver­wechs­lun­gen mit der TGB, der Tür­ki­schen Ge­mein­de Ber­lin, die der TGD nicht an­ge­hört – wor­auf die TGD aus ak­tu­el­lem Anlass kürz­lich aus­drück­lich hin­wies.

Wie ver­schie­den die Or­ga­ni­sa­tio­nen sind, zeigt sich ge­ra­de in die­sen Tagen. TGB-Prä­si­dent Bekir Yil­maz or­ga­ni­sier­te De­mons­tra­tio­nen gegen die Re­so­lu­ti­on des Bun­des­tags, die die Tö­tung und Ver­trei­bung von Hun­dert­tau­sen­den Ar­me­ni­ern im Os­ma­ni­schen Reich als Völ­ker­mord ein­stuft. Mit sei­nen Face­book-Hin­wei­sen auf ein ge­plan­tes Ra­ma­danes­sen in einer Neu­köll­ner Mo­schee ist Yil­maz wohl nicht ganz un­be­tei­ligt daran, dass die zu Ditib, einem Ver­band mit star­ker An­bin­dung an die Tür­kei, ge­hö­ren­de Mo­schee die zu dem Fas­ten­bre­chen ge­la­de­nen Ver­tre­te­rIn­nen des Bun­des­tags, dar­un­ter des­sen Prä­si­dent Nor­bert Lam­mert, nach dem Be­schluss der Re­so­lu­ti­on kur­zer­hand wie­der aus­lud.

Der TBB da­ge­gen wurde von CDU­ler Lam­mert im Bun­des­tag aus­drück­lich dafür ge­lobt, dass er sich mit den tür­kei­stäm­mi­gen Ab­ge­ord­ne­ten so­li­da­ri­sier­te, die seit der Ver­ab­schie­dung der Ar­me­ni­en-Re­so­lu­ti­on schlimms­te Dro­hun­gen er­hal­ten. Dass diese „be­schimpft und sogar be­droht“ wür­den, sei „völ­lig in­ak­zep­ta­bel“, schrieb der Tür­ki­sche Bund in einer Pres­se­mit­tei­lung. Und sein Dach­ver­band TGD er­klär­te: „Po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen, die auf de­mo­kra­ti­sche Weise ge­fällt wur­den, dür­fen nicht mit ge­walt­sa­men Mit­teln an­ge­foch­ten wer­den.“

Die Armenien-Resolution

Am 2. Juni verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Resolution, die 101 Jahre zu­rückliegende Ereignisse im damaligen Osmanischen Reich betrifft. „Vertreibungen und Massaker“ hätten damals „zur fast vollständigen Vernichtung der Armenier“ geführt, auch „Angehörige anderer christlicher Volksgruppen“ seien „von Deportationen und Massakern betroffen“ gewesen.

Der Bundestag beklagt „die Taten der damaligen jungtürkischen Regierung“ und „bedauert die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches“, das „als militärischer Hauptverbündeter“ der Osmanen nicht versucht habe, diese „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, die an anderer Stelle der Resolution Völkermord genannt werden, zu stoppen. Bei der türkischen Regierung sowie bei Teilen der aus der Türkei stammenden EinwanderInnen in Deutschland sorgte die Reso­lution für heftigen Ärger. (akw)

Keine Türkeipolitik

Dabei will auch der TBB damit nicht die Re­so­lu­ti­on ver­tei­di­gen: „Deren In­halt ist unter den Tür­kei­stäm­mi­gen um­strit­ten“, sagt TBB-Spre­che­rin Ayşe Demir. Kri­tik daran sei aber „le­gi­ti­mer Be­stand­teil de­mo­kra­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen“. „Als Dach­ver­band po­si­tio­nie­ren wir uns nicht für oder gegen die Re­so­lu­ti­on“, so Demir: „Wir ma­chen ja keine Tür­kei-, son­dern In­te­gra­ti­ons­po­li­tik.“

Als sol­che sieht auch TGB-Prä­si­dent Bekir Yil­maz seine deut­li­che Po­si­tio­nie­rung und Ak­ti­vie­rung gegen die Re­so­lu­ti­on. Denn diese diene nicht „dem fried­li­chen Mit­ein­an­der“, meint Yil­maz, son­dern gren­ze einen Groß­teil der tür­kisch­stäm­mi­gen Com­mu­ni­ty ge­sell­schaft­lich und po­li­tisch aus. 70 bis 80 Pro­zent der Tür­kisch­stäm­mi­gen, schätzt er, seien gegen die Re­so­lu­ti­on: für ihn „Men­schen, die ihre Spra­che, ihr Wur­zeln und Be­zie­hun­gen zur Tür­kei nicht ver­lie­ren wol­len“. Ihnen werde mit dem Bun­des­tag­be­schluss ver­mit­telt: „Wir wer­den nicht ak­zep­tiert, also müs­sen wir uns auch nicht mehr um Ak­zep­tanz be­mü­hen.“

TGB-Präsident Bekir Yilmaz organisierte Demonstrationen gegen die Armenien-Resolution Foto: Stefan Boness/Ipon

Der Tür­ki­sche Bund, in den Acht­zi­gern ge­grün­det, hat heute 30 Mit­glieds­ver­ei­ne, vom Tür­ki­schen El­tern- oder Frau­en­ver­ein über die Tür­ki­schen So­zi­al­de­mo­kra­ten bis zum Folk­lore­klub und einer Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on für tür­kei­stäm­mi­ge Se­nio­rIn­nen. Re­li­giö­se Ver­ei­ne sind nicht dar­un­ter. Mit­fi­nan­ziert vom Land, macht der TBB Pro­jek­te wie etwa das Ber­li­ner An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­netz­werk ADNB. Im TBB seien „Men­schen un­ter­schied­li­cher eth­ni­scher und re­li­giö­ser Zu­ge­hö­rig­keit, so Demir. Sie spricht des­halb lie­ber von „Tür­kei­stäm­mi­gen“, um keine der vie­len eth­ni­schen und re­li­giö­sen Grup­pen unter den aus der Tür­kei stam­men­den Ein­wan­de­rIn­nen aus­zu­gren­zen. Bekir Yil­maz bleibt bei „tür­kisch­stäm­mig“.

Die Web­si­te der eben­falls in den Acht­zi­gern ge­grün­de­ten TGB lis­tet 60 Mit­glieds­ver­ei­ne auf, ein Vier­tel davon re­li­giö­se Ver­ei­ne oder Mo­sche­en, dar­un­ter auch drei der Ditib. Auf der Seite wur­den frü­her Sprach­kur­se in Per­sisch und Os­ma­nisch als „Dia­lek­te des Tür­ki­schen“ an­ge­bo­ten. Auch die TGB hat gute Kon­tak­te zu Be­hör­den und Po­li­tik: Ihre In­ter­net- und Face­book­-Auf­trit­te do­ku­men­tie­ren Be­su­che des frü­he­ren Ber­li­ner Po­li­zei­prä­si­den­ten Die­t­er Glietsch, der Ber­li­ner Feu­er­wehr und Ko­ope­ra­tio­nen mit Se­nats­pro­jek­ten wie „Aus­bil­dung in Sicht“. Bekir Yil­maz selbst ist in der SPD. Bei einer Mahn­wa­che gegen den An­schlag auf das fran­zö­si­sche Sa­ti­re­ma­ga­zin Char­lie Hebdo im Ja­nu­ar 2015 stand er mit Kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel (CDU), Vi­ze­kanz­ler Sig­mar Ga­bri­el (SPD) und Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck in der ers­ten Reihe auf dem Po­di­um.

Drohungen verurteilt

„Wir machen keine Türkei-, sondern Integrationspolitik“, sagt TBB-Sprecherin Ayșe Demir Foto: Stephanie Pilick/dpa/picture-alliance

Auch TBB und TGB haben laut Ayşe Demir be­reits zu­sam­men­ge­ar­bei­tet. Ver­schie­de­ne NGOs hät­ten eben „un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen ihrer Ar­beit“, sagt sie: „Wir als TBB sehen uns als Teil der Ber­li­ner Men­schen­rechts- und De­mo­kra­tie­be­we­gung und en­ga­gie­ren uns gegen Dis­kri­mi­nie­rung aller Art.“ An­de­re Ver­bän­de mach­ten da­ge­gen ver­stärkt Tür­kei­po­li­tik.

TGB-Chef Yil­maz nennt die, die das nicht tun, „Pro­jekt­ver­ei­ne“, an denen „die Sor­gen der gro­ßen Mehr­heit der Tür­kisch­stäm­mi­gen“ vor­bei­gin­gen. Die Dro­hun­gen gegen tür­kei­stäm­mi­ge deut­sche Po­li­ti­ke­rIn­nen ver­ur­teilt auch Yil­maz. Ihre Ur­sa­che sieht er in der „hef­ti­gen De­bat­te“, die der Bun­des­tags­be­schluss aus­ge­löst habe: Aber in einem Rechts­staat müss­ten Men­schen mit tür­ki­schem Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund „auch Mei­nun­gen ver­tre­ten dür­fen, die der Po­li­tik nicht ge­fal­len“, sagt der TGB-Chef. Und: „Mord­dro­hun­gen be­kom­me ich auch.“

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