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Zu sehr Künstler fürs System

DDR-KINO Das Metropolis in Hamburg zeigt eine kleine Werkschau des widerspenstigen Defa-Filmemachers und Malers Jürgen Böttcher

Das Kino war nur seine zweite Wahl: Unter dem Künstlernamen Strawalde hat der 1938 geborene Jürgen Böttcher Bilder gemalt – so wild und so modern, dass ihn der DDR-Verband Bildender Künstler 1961 ausschloss. Da beschloss er, etwas Vernünftiges zu lernen, machte in Babelsberg eine Ausbildung als Dokumentarfilmer und war fortan bei der staatlichen „Deutschen Film AG“ (Defa) angestellt – bis zu deren Ende.

Auch da war Böttcher zu sehr Künstler, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen: Weil er einige seiner jungen Freunde allzu realistisch und lebendig porträtierte, wurde sein erster Film „Drei von Vielen“ verboten; so könne, befanden seinerzeit die Kulturbürokraten, die Jugend ihres Landes nicht sein. Im Hamburger Metropolis-Kino ist der Dreißigminüter nun als einziges Beispiel des Böttcher’schen Frühwerks zu sehen (heute, 19 Uhr).

Seine Vorbilder waren die italienischen Neorealisten. Indem er versuchte, so wahrhaftig wie möglich das wirkliche Leben einzufangen, entwickelte er dabei seine eigene Art von „Direct Cinema“. Böttcher selbst spricht davon, dass seine Filme „Huldigungen“ der Porträtierten gewesen seien – und dass ein etwas hellsichtigerer Parteiapparat doch hätte erkennen können, dass sie durchaus als Werbefilme für den real existierenden Sozialismus hätten dienen können. Aber seine Dokumentationen wie „Martha“ über eine Trümmerfrau, „Der Sekretär“ über einen engagierten Parteifunktionär oder „Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner“ über einen bildenden Künstler – auf zwei Kurzfilmprogramme verteilt zu sehen – waren so komplex, originell und widersprüchlich, dass der Filmemacher immer um sie kämpfen musste.

Sein einziger Spielfilm „Jahrgang 45“ wurde 1967 schon im Rohschnitt verboten und erst 1990 öffentlich aufgeführt. Er fehlt nun in der Werkschau, dafür läuft mit „Die Frau am Klavichord“ aus dem Jahr 1981 der letzte von Böttchers Experimentalfilmen: Die erklärte Ehrung für einige Malerkollegen endet damit, so Böttcher selbst, dass „die Welt kaputtgeht“; auch dieser Kurzfilm wurde damals verboten, weil er „die Friedenspolitik der DDR unterminierte“.

In seiner letzten Arbeit für die Defa dokumentierte Böttcher die letzten Tage des „antifaschistischen Schutzwalls“: Für „Die Mauer“ (Di, 17 Uhr) bekam er 1990 den Preis der internationalen Kritiker auf der Berlinale. Und arbeitete dann lieber wieder als Maler Strawalde. HIP

https://metropoliskino.de

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