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Besser kleine Schritte als gar keine

Kommentar

von Stefan Alberti

Neuer Versuch bei der Mietpreisbremse

Kompromisse sind unsexy. Sie gehören zudem zu den Dingen, denen dauerhaft ein Adjektiv angeheftet scheint – aber kein positives wie bei der strahlenden Schönheit, sondern ein ganz anderes: faul. Das beinhaltet zweierlei: dass sich die Macher des Kompromisses nicht genug bemühten und dass die Sache zum Scheitern, zum Ver-faulen, verurteilt ist.

Dabei stimmt das Gegenteil. Viel leichter als ein bedachter Kompromissvorschlag ist die Maximalforderung, vorgetragen mit sprichwörtlich breiter Brust. Da haut einer auf den Tisch, da zeigt’s einer aber den anderen! Doch was bei Tarifverhandlungen beeindrucken mag, weil es das Druckmittel der Streiks gibt, eignet sich für Bundesratsinitiativen überhaupt nicht. Da gibt es nämlich überhaupt kein Druckmittel – da gibt es nur Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick. Vor allem wenn die Initiative von einem schon qua Wirtschaftskraft nachrangigen Bundesland wie Berlin ausgeht.

Es war ja nicht so, dass auf Bundesebene die CDU und CSU bei der Mietpreisbremse in ihrer jetzigen Form laut „Hurra“ schrien, auch wenn sie im Bundestag zustimmten. Sanktionen, etwa die Einstufung als Ordnungswidrigkeit und Bußgelder, wenn Vermieter nicht mitziehen, würden absehbar dazu führen, dass maßgebliche Bundesländer die Berliner Initiative als überzogene Forderung von vornherein abbügeln. In jetziger Form und beschränkt auf einige konkrete Punkte, die auch vorsehen, dass eine Miete nach einer Sanierung nicht mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens verschlingen darf, hat der Vorstoß größere Chancen.

Den Spruch seines Vorgängers Wowereit, dass Berlin „arm, aber sexy“ sei, bekommt Regierungschef Müller von anderen Ländern mit Sicherheit noch immer um die Ohren gehauen. Ein unsexy Kompromissvorschlag ist darum zugleich kein schlechter Weg, um mal wieder zu zeigen, dass die vermeintlichen Nassauer aus der Hauptstadt, die allen Klischees zum Trotz zuletzt 3 Milliarden Euro Schulden abzahlten, auch ziemlich seriöse Politik können.

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