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Viel Lärm um eine geplante Moschee

RELIGION I In Wilhelmsburg könnte ein neues muslimisches Gotteshaus entstehen. Das Vorhaben ist noch vage – aber mancher wittert längst „heftigen Streit“ um die „Mega-Moschee“

Ziemlich gut sichtbar: die Bait-ur-Rasheed Moschee in Schnelsen Foto: Daniel Reinhardt/dpa

von Darijana Hahn

Alles fußt auf der Fantasiezeichnung eines Architekten. Auf dessen – im Dezember gekürten – Entwurf er für das ab 2019 entstehende Neubaugebiet „Mitte Wilhelmsburg“ die geplanten Wohnungen andeutet, rund 1.400 sollen es werden; diverse Grün- und Spielflächen – und eine Moschee. Mit Kuppel und vier Minaretten. „Lediglich ein Symbolbild“, sagt Magnus Kutz, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Es gebe noch keine konkreten Pläne, vielmehr würden Gespräche geführt zwischen den beteiligten Parteien: Hamburgs Oberbaudirektor, der Finanzbehörde, dem Bezirk Mitte sowie Ditib-Nord, dem Hamburger und schleswig-holsteinischen Landesverband der islamischen Religionsgemeinschaft Ditib.

Dass gerade dieser Verband in Wilhelmsburg eine Moschee bauen wolle, erklärt die SPD-Bezirksabgeordnete Kesbana Klein so: „Eine der zu Ditib-Nord gehörenden Moscheegemeinden hat den dringendsten Platzbedarf in Wilhelmsburg angemeldet.“ Derzeit habe die Yeni-Camii-Moschee in einem Hochhaus in der Nähe der S-Bahn so wenig Platz, dass die Gläubigen oft draußen beten müssten, auch bei Regen und bei Schnee.

Dass die rund 150.000 in Hamburg lebenden Muslime insgesamt zu wenig Platz haben in ihren rund 50 Moscheen, befand vor drei Jahren eine Studie: Marion Koch und der Michel-Restaurator Joachim Reinig kamen darin zu dem Ergebnis, dass „fast jede Moschee einen großen Bedarf an zusätzlichem Raum hat“. Reinig, als Architekt auf den Kirchenbau spezialisiert, fordert einen „Moschee-Entwicklungsplan“ von der Stadt. Unterstützung findet er bei der Bürgerschafts-Grünen Stefanie von Berg: Die religionspolitische Sprecherin ihrer Fraktion sagte jüngst auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung und der muslimischen Al-Nour-Gemeinde, sie wünsche sich langfristig „überall Stadtteilmoscheen“ (siehe Interview).

Von Bergs Annahme, dass sich dadurch Ängste abbauen ließen, teilt auch die Sozialdemokratin Kesbana Klein: „Sichtbare Moscheen fördern die Nachbarschaft und den Dialog miteinander“, sagt die Lokalpolitikerin. Trotz mancher Bedenken sei die Moschee in Wilhelmsburg „kein großer Aufreger“, sagt sie.

Tatsächliche wendet sich derzeit niemand offensiv gegen den geplanten Moscheebau – es sei denn, die Mopo spricht mit dem örtlichen CDU-Mann Jörn Frommann: Dann wird aus dessen Kritik prompt ein „heftiger Streit“. Frommann erkennt in einer Moschee „in der Art und dargestellten Größe ein falsches Zeichen für einen Stadtteil, der langsam dem Dornröschenschlaf entstiegen ist“. Auch mache er sich Sorgen, dass die Imame in den Ditib-Moscheen, die von der Türkei geschickt würden, eine „Zementierung der Parallelgesellschaft“ bedeuteten.

Wann dies im Fall des Neubau drohen könnte, ist vollkommen offen: Weder Behördensprecher Kutz kann konkrete Angaben machen, noch wollen sich Ditib-Verantwortliche äußern. Fest steht, dass in dem 18 Hektar großen Neubaugebiet ein Grundstück an der Thielen-, Ecke Dratelnstraße für die Moschee vorgesehen ist. Wilhelmsburg ist damit das erste Neubaugebiet, in dem die Stadt ein Grundstück für eine muslimische Gemeinde freihält.

Das geschieht dem Staatsvertrag gemäß, den die Stadt 2012 mit vier muslimischen Verbänden schloss: neben Ditib auch mit der „Schura“, dem Verband der Islamischen Kulturzentren sowie der Alevitischen Gemeinde. Unter Artikel 9 führt er „Errichtung und Betrieb von Moscheen“ auf. Danach berücksichtigt die Stadt Bedarf an Grundstücken insbesondere bei der Erschließung neuer Stadtteile. Der Gedanke dahinter, erklärt Architekt Reinig: Die Moscheegemeinden sollen vor finanzkräftigeren Interessenten geschützt werden – so wie andere religiöse Gemeinschaften auch.

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