Darf der das?

Buchmessern (1): Pünktlich zur heutigen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse sorgt eine Personalie für Gesprächsstoff, der Rücktritt des Börsenverein-Vorstehers. Und Korea hat sich viel vorgenommen

VON GERRIT BARTELS

Wie schon 2004, als die Nichtvertragsverlängerung von Buchmessendirektor Volker Neumann durch den Börsenverein die Gemüter im Vorfeld der Buchmesse erregte, sorgt in diesem Jahr erneut eine pikante Personalie pünktlich zum Buchmessenstart für Aufsehen. Dieter Schormann, seit 2001 nicht uncharismatischer Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, trat in diesen Tagen von seinem Posten zurück. Er war schwer in die Kritik geraten, nachdem er angekündigt hatte, seine Ferbersche Buchhandlung in der Innenstadt Gießens Mitte November zu schließen. Zum einen, weil die Buchhandlung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, zum anderen aber auch, weil dieses Jahr in unmittelbarer Nachbarschaft die zum Douglas-Konzern gehörende Buchhandelskette Thalia eine Filiale eröffnet. Schormann hat zwar dafür gesorgt, dass mehr als die Hälfte seiner 36 Angestellten bei Thalia unterkommt und nicht zuletzt er selbst: Er wird dort in leitender Position für Marketing und PR zuständig sein.

Trotzdem stellte sich bei den Mitgliedern des Börsenvereins sofort die Frage: Darf der das? Als Vorsteher eines Vereins, der viele tausend mittelständische Buchhändler vertritt, so mir nichts dir nichts einer großen Kette das Feld überlassen, um dort dann noch selbst unterzuschlüpfen? Einer Buchhandelskette, die mit riesigen Läden und winziger Buchauswahl den traditionell der Vielfalt verpflichteten kleineren Buchhandlungen das wirtschaftliche Überleben schwer macht? Man fand nein, und um nicht noch mehr Schaden beim Börsenverein anzurichten, zog Schormann die Konsequenzen.

Der Trouble um ihn symbolisiert aufs Beste die unguten Veränderungen, die Buchhandel und Verlagen in den nächsten Jahren bevorstehen: Noch mehr kleinere Buchhandlungen werden schließen, weil sie dem Druck der großen Ketten nicht gewachsen sind, und die Verlage dürften noch abhängiger von den bevorzugt bei Thalia oder Weltbild nachgefragten Schnelldrehern und Bestsellern werden, als sie das ohnehin schon sind.

Die Buchmesse selbst allerdings, die heute Nachmittag im Kongresszentrum des Messegeländes unter anderem von dem südkoreanischen Ministerpräsidenten Lee Hae Chan und von Gerade-noch-Außenminister Joschka Fischer eröffnet wird, scheint sich nach den Krisenjahren 2001 und 2002 wieder im Aufwind zu befinden. Mehr als 7.000 Aussteller aus 101 Ländern werden da sein, verkündete der neue, seit April diesen Jahres amtierende Buchmessenchef Jürgen Boos neulich im alten Frankfurter Literaturhaus, so viel wie nie zuvor, und drei Prozent mehr Hallenfläche seien vermietet worden. Stammt nun die Hälfte der Aussteller aus dem deutschsprachigen Raum, so ist, angeführt von England und den USA, die Frankfurter Buchmesse mit rund 1.500 anwesenden Verlagen gleichfalls die größte englischsprachige Buchmesse.

Das Gastland Korea wiederum, das ja vor allem Südkorea meint, ist literarisch zwar ein schwieriges Terrain, doch passt es gut ins Bild einer florierenden Buchmesse: Im internationalen Buchmarkt gilt Südkorea als die Nummer sieben, und für deutsche Bücher ist das Land einer der wichtigsten Lizenzabnehmer geworden. Zudem investieren die Südkoreaner mit 15 Millionen Euro mehr als jedes Gastland zuvor in Lesungen, Ausstellungen und Konzerte, um sich als Kulturnation zu profilieren. Ob es für einen langfristigen Nachhall in Deutschlands Literaturlandschaft reicht, sei wieder einmal dahingestellt. Sicher aber ist, dass die Buchmesse als Spektakel, als Körper, der aus hunderttausenden von Besuchern und noch mehr Büchern besteht, auch die Demission eines Dieter Schormann locker wegstecken wird.