Die Zutatvon Sarah Wiener:
Kaum etwas kann mein Herz so erfreuen und auch so erzürnen wie eine simple Erdbeere.
Ich bekomme selbst vom besten Obst bald genug, wenn ich es jeden Tag esse – aber bei Erdbeeren … Ein bisschen Schmand, Joghurt, ein Hauch Zitronenabrieb und ein Löffelchen Honig. Das geht immer. Einen Teil der Erdbeeren zermansche ich dafür. Wegen der Farbe. Ich mag es, wenn meine Creme dunkelrote Schlieren zieht. Nicht ganz rosa. Sondern so wie bei gewissen Eissorten und wie meine Nationalflagge: rot-weiß-rot. Der andere Teil bleibt grob geschnitten. Ich will darauf beißen können. Ich mag das Weiche und das Halbweiche. Aber auch ohne Schmand und Schnee liebe ich Erdbeeren. Pur. Oder mit einem Hauch Orangen- und Grapefruitsaft. Als Erdbeerroulade oder Torte. Das Allerwichtigste: Sie müssen wirklich sonnengereift sein. Und auch so aussehen: saftig, voller Leben, auf ihrem Höhepunkt!
Kommen wir zum Erzürnen: Immer, aber auch wirklich immer, liegen oben in der Schale die vollroten Erdbeeren und unten einige harte, mit weißem Ansatz und blassrosa Farbe. Und der Geschmack: Wasser, Wasser, Wasser. Ich glaube, ich ärgere mich so darüber, weil ich schon beim Kauf den Genuss einer betörend nach Damaszener Rose duftenden Erdbeere geistig vorwegnehme. Und dann diese Enttäuschung.
Erdbeeren kaufen ist wie ein Lottospiel. Man landet selten einen Volltreffer. Leider sind auch hierzulande die wenigen, ewig gleichen Sorten in den Supermarkt eingezogen. Möglichst die gleiche Größe sollen sie haben, sie müssen lagerfähig und pilzresistent sein und einen langen gleichmäßigen Ernteertrag erbringen. Alles verständlich. Da kann man auf feines Aroma keine Rücksicht nehmen.
Also besser selber anbauen. Im Blumenbeet, auf dem Balkon. Einfach verschiedene Sorten ausprobieren. Ich empfehle Scharlacherdbeeren, Wädenswil 6 oder die mittlerweile bekannte Mieze Schindler. Und wer Geduld zum Sammeln aufbringt: natürlich unsere Walderdbeere.
Diese Sorten eignen sich auch hervorragend für Marmelade. 70 % Frucht, etwas Zitronensaft, der Rest Zucker. Alles im Kupferkessel oder im Emaillegeschirr langsam und kurz sieden lassen. Bloß kein Stahl. Sonst wird die Marmelade später schnell braun. Und bitte nicht mit Vanille, Minze oder Rum „verfeinern“. Eine gute Erdbeere braucht nichts. Außer sich selbst und jemand, der sie zu genießen weiß.
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor
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