Poroschenkos Albtraum

Hoffnung Noch meint sich der ukrainische Präsident im Glanz der heimgeholten Nadija Sawtschenko sonnen zu können. Doch die Frauen drängen selbst ins Licht

Findet er keinen Abnehmer? Präsident Poroscheneko und Nadija Sawtschenko Foto: Roman Pilipey/dpa

von Irina Serdyuk

„Was ist das für ein Land, das solche Frauen hervorbringt?“, schwärmten die Macher eines MDR-Beitrags über die ukrainische Frauen-Band Dacha-Bracha vor einer Woche.

Wie recht sie hatten, erwies sich am Mittwoch, als die ukrainische Pilotin Nadija Sawtschenko an Bord der Präsidenten-Maschine Petro Poroschenkos aus dem russischen Rostow am Don nach Kiew gebracht wurde. „Tag der Hoffnung“ (so die Übersetzung des Vornamens Nadija ins Deutsche) titelten ukrainische Medien.

Rein zufällig geschah das auf den Tag genau am 2. Jahrestag des Amtsantritts Poroschenkos. Wer die Liveübertragung der Ankunft der inzwischen zu einer nationalen Ikone stilisierten Pilotin gesehen hat, wird sie nicht so schnell wieder vergessen können. Wie ein verwundetes Tier, klein, barfuß, mit kurz geschorenen Haaren, im engen T-Shirt, lief Sawtschenko durch die jubelnde Menge und schrie: „Fasst mich bloß nicht an!“ Ihr Kampfname war „Kulja“, was so viel wie „Kugel“ heißt. Und ihr Zurückkatapultieren in die Heimat wird die Wirkung einer Bombe haben.

Ukrainische Revolutionen haben ein weibliches Gesicht. 2004: Julia Timoschenko und Eurovision-Song-Contest-Siegerin Ruslana. 2016: Song-Contest-Siegerin Jamala und nun Nadija Sawtschenko. Julia Timoschenko ist immer noch da. Zwar trägt sie nicht mehr ihren markant geflochtenen Zopf, immerhin ist sie aber die Chefin der Partei „Batkiwtschina“ (die Heimat), der die inhaftierte Sawtschenko beigetreten war. So war Timoschenko erwartungsgemäß unter den ersten Begrüßenden.

Der Kontrast hätte nicht größer sein können: High Heels, cremefarbenes elegantes Kostüm, lange aufwendig gepflegte Haare. Timoschenkos Blumenstrauß schmiss die neue „Hoffnung“ weg.

„Ich will hier nicht verhuren“, kam von Sawtschenko etwas später. Sie meinte wohl, ein Teil des korrupten Systems werden. Das nahm man ihr sofort ab. Die zwei Jahre Haft in Russland über hat die Berufssoldatin kein Blatt vor den Mund genommen. Sitzt der Feind jetzt womöglich daheim? „Es ist sehr praktisch, wenn die Helden tot sind. Schlimm ist es, und zwar für alle, wenn sie noch leben“, so Sawtschenko in ihrer spontanen Ankunftsrede.

Wohl noch schlimmer, wenn der lebende Held Grips und Titten hat. Die ukrainischen Frauen haben überall das Sagen: auf dem Maidan, in der Küche, im Labor. Nur nicht in der großen Politik. Im aktuellen Kabinett sitzen ganze zwei Frauen.

Einmal im Jahr allerdings dürfen die weiblichen Abgeordneten brillieren. So vor einer Woche wieder, als weltweit der Tag der „Wyschywanka“, des traditionellen bestickten Hemdes, zelebriert wurde. Großformatige Fotos der Wyschywanka-Schönheiten im Parlament zierten die Foren und Glanzzeitschriften. Auch die Männer hatten bestickte Hemden an, die Frauen haben aber allemal mehr zu ­bieten. Die ukrainischen sowieso.

Noch geriert sich der Präsident als Retter der neuen ukrainischen Jeanne d’Arc. Sehr bald wird er aber einsehen müssen, dass Putins Albtraum Sawtschenko zu seinem eigenen wird. Laut einer Umfrage des renommierten Portals Ukrainska Prawda sind 80 Prozent der Meinung, dass die Rückführung der Pilotin dem Ansehen des ukrainischen Präsidenten keinerlei Bonuspunkte gebracht hat. Ganz im Gegenteil. Mit der Heimkehr „unserer Nadija“ steht einer ukrainischen Merkel, worüber in den letzten Monaten öfters spekuliert wurde, nichts mehr im Wege. Wenn das keine Hoffnung für die Ukraine ist!