piwik no script img

Ein Heim vor dem Aus

Flüchtlinge Die Erstaufnahmeeinrichtung am Rohrdamm 22 in Siemensstadt wird noch an diesem Wochenende geschlossen. Etwa 350 Geflüchtete müssen umziehen

Schuhe aus: Nicht alle Flüchtlinge müssen so spontan umziehen. Hier die Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf Foto: Hirschberger/dpa

von Susanne Memarnia

Flüchtlinge und Ehrenamtliche in Siemensstadt sind empört: Die Erstaufnahmeeinrichtung am Rohrdamm 22 wird geschlossen, etwa 350 Flüchtlinge, darunter viele Kinder, sollen noch an diesem Wochenende ausziehen. Laut Rolf Rosendahl von der Kirchengemeinde Siemensstadt haben deswegen am Montagabend einige Dutzend Flüchtlinge vor dem zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit demonstriert. „Sie sind aufgeregt, weil sie nun nach Tempelhof in die Hangars sollen“, sagte er am Dienstag der taz.

Der Hintergrund der Schließung ist ungewöhnlich genug: Der Eigentümer der Immobilie hat dem Lageso gekündigt. Das bestätigte eine Lageso-Sprecherin der taz. Zu den Einzelheiten wollte sie sich nicht äußern, insbesondere nicht zu dem Gerücht, das Lageso habe die Miete nicht bezahlt und sei deswegen gekündigt worden. Sie verwies auf die Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja. Man habe sich nicht mit dem Eigentümer des Gebäudes, der ABC Living GmbH, auf Konditionen für einen Weiterbetrieb der Einrichtung durch das Lageso verständigen können, teilte Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, mit. „Deshalb endet die Nutzung nun fristlos“, so Kneiding.

Das Lageso habe aber frühzeitig begonnen, sich auf den möglicherweise bevorstehenden Umzug vorzubereiten, sagte Kneiding. Die 331 betroffenen Flüchtlinge sollen nun in andere Einrichtungen verlegt werden, dabei habe man auf den Zusammenhalt von Familienverbänden und die bisherigen Schulstandorte geachtet. Die Umzüge werden von Freitag bis Sonntag stattfinden und vom Lageso und dem landesweiten Koordinierungsstab begleitet.

Vor gut einem Jahr waren das Heim und sein Betreiber, die umstrittene Pewobe, schon einmal in den Schlagzeilen. Damals kam heraus, dass Pewobe-Chef Helmuth Penz das ehemalige Siemens-Bürogebäude im Mai 2014 für 6,5 Millionen Euro gekauft hatte, obwohl es wenige Monate zuvor für 4 Millionen Euro weniger den Besitzer gewechselt hatte. Der Verdacht kam auf, dass Penz in enger Abstimmung mit dem Lageso das Gebäude für einen überhöhten Preis gekauft hatte – offenbar in der Absicht, das Geld durch eine horrende Miete, die das Lageso zahlen würde, wieder hereinzubekommen.

Hintergrund der Schließung: Der Eigentümer hat dem Lageso gekündigt

Auch bei der Bewilligung von Extrazahlungen für Investitionen in das Gebäude war das Amt damals offenbar sehr großzügig, Oppositionspolitiker sprachen von einer „unguten Nähe“ zwischen Lageso und dem privaten Betreiber. Es gab damals auch interne Ermittlungen gegen Lageso-Mitarbeiter deswegen – über deren Ergebnis allerdings nie etwas bekannt wurde.

Für Rosendahl von der Kirchengemeinde ist die Tatsache, dass das Heim nun schließen muss, bedauernswert, „auch wenn es selber wohl in keinem tollen Zustand war“. Laut Auskunft vieler Helfer habe es immer wieder Beschwerden von Flüchtlingen wegen der hygienischen Zustände gegeben. „Aber das ist immer noch besser als die Hallen“, findet er. Auch die Helfer seien wenig begeistert: Man habe im letzten Jahr ein dichtes Netz von Hilfen aufgebaut, viele Einzelpersonen, Ini­tiativen und Gruppen bemühten sich, die Menschen mit Bildungs- und Freizeitangeboten in den Stadtteil zu integrieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen