Kolumne Jung und dumm: Life in our modern times of Treppigkeit

Was tun, wenn da keine Treppe ist, um sich zu vertreppen? Hilft wohl nur eine olle Schrumpelkröte. Oder so etwas.

Blick nach unten in einem Treppenhaus

Im Wurmloch der Unendlichkeit Foto: dpa

Plötzlich wetzten die Lärmschwestern um die Ecke und setzten sich neben mich. Nach gescheiterter Literaturrecherche an einem der Bibliotheksrechner (Betriebssystem Schellack '24) war ich dazu übergegangen, Walter-Benjamin-Schriften zu lesen, mich dabei sehr klug zu fühlen und Zitate daraus in meine Maschine zu hämmern, wobei das gleichzeitige Buchaufhalten, Lesen und korrekte Abtippen fast so anstrengend war wie der mühevolle Versuch, etwas verstanden zu haben (zu glauben).

Aufgeregt tratschten nun jene, im vermeintlichen Flüsterton, nervenaufreibend und ununterbrochen. Wann geben sie denn nur endlich Ruhe? Warum verflucht habe ich nicht einen Groschen in den „Ohrenstöpsel-Automaten“ geworfen (dessen Inhalt, gut, auch eher aussah wie schon mal gelutschte Karnevalsbonbons)?

Vielleicht wäre es ja angenehmer, wenn sie Pieptöne machten … – oder Hologramme wären? +++ Apropos: jetzt einen knusprigen Triple Horst Seehofer ohne Schminke, so wie aus der Werbung, na, wie wär’s, Appetit¹? +++ Komme ich hier eigentlich jemals wieder raus? Was bedeutet nochmal „xoxo“? Läuft das Band? Wo kauft Volker Weidermann sein Haargel? Habe ich das gerade laut gesagt – oder warum schaut man mich so komisch an? Und, huch, natürlich: Wie kommt der Bleistift in meine Nase?

Und dann sehe ich sie vor mir, sie, die (die! (die)) Treppenhausszene, die sich, Sie ahnen es, in einem – ja – Treppenhaus abspielt (gleich übrigens welcher, wie dieser schlaue, schöne, alte Mann immer sagt, Provenienz – denn das primäre Treppenhausmerkmal, die Treppigkeit, wurde ja bekanntlich bereits in der Dino-Norm Alpha Bertha Guschtapf von vor ganz, ganz früher festgeschrieben) und bei der der Treppenhausmann – ich war ihm an jedem Tag nämlich erst- und auch gleich mehrmals im, na, Treppenhaus begegnet – mich, der ich in meinem jungen Leben doch schon viele Treppenhäuser, riesige, nachgerade ins Uferlose diffundierende Mengenhaufen (Haufenmengen?) an Treppenhäusen rauf- und runtergesteppt war, und das freilich nicht immer (eigentlich: nie) zu meinem Vergnügen (vielleicht zu dem anderer?), fragt, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als Treppen (nicht Treppenhäuser – Treppen!) zu laufen, und das in einem, wie erwähnt, Treppenhaus.

Nanu: Ein Zettel fällt aus dem Buch (Wurmloch?) – eine Botschaft von früher! „Reflexionen aus hl. Beobachtungen. lichte Gleichgültigkeit. Bestreben die Anonymität zu registrieren! Langsamkeit (Schildkröte).“ Und tatsächlich – ein paar Seiten weiter steht da: „Um 1840 gehörte es vorübergehend zum guten Ton, Schildkröten in den Passagen spazieren zu führen. Der Flaneur ließ sich gern sein Tempo von ihnen vorschreiben“.

Ich blicke verächtlich zur Seite, räuspere mich keuchhustenartig und schreite hinaus; im Schlepptau eine, meine, Spontanschildkröte (Modell REGINA), die mich fortan für immer begleiten wird. Da bin ich mir ganz sicher.

¹(BEZAHLTE ANZEIGE). Produkt enthält leicht verschluckbare Kleinteile (Playmobil), schlechten Modellbau-Stil sowie ganz vielleicht Spuren von Rassismus.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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