: Mediziner im Streit: mit harten Bandagen
Gesundheit Heute beginnt die Ärztewoche in Hamburg. Verbandsfunktionären droht Entmachtung
Zuerst läuft die Affäre bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf eine Entscheidung zu. Die KBV vertritt die 165.000 Kassenärzte, handelt ihre Honorare bei den Krankenkassen aus und kümmert sich um ihre Interessen. Doch der ehemalige KBV-Chef Andreas Köhler, vor zwei Jahren wegen Krankheit zurückgetreten, und andere frühere Beschäftigte kümmerten sich in einem Ausmaß um sich selbst, das Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf den Plan rief.
Auf mehrere Strafanzeigen folgte ein Drohbrief von Gröhes Ministerialdirektor: Rechtswidrige Zahlungen an Köhler müssten zurückgefordert, Versorgungszusagen aufgelöst werden. An diesem Montag muss die in Hamburg tagende Vertreterversammlung, das Parlament der KBV, diese Beschlüsse fassen – sonst werde das Gröhe-Ministerium „die Geschäfte der Körperschaft selbst führen oder einen Beauftragten bestellen“, heißt es in dem Brief.
Kommt bei der KBV die erste staatliche Zwangsverwaltung im Gesundheitswesen auf Bundesebene? KBV-Chef Andreas Gassen gibt sich gelassen. „Wir haben die nötigen Beschlüsse vorbereitet.“ Es müsse kein Staatskommissar anrücken. Der Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten, Hans-Friedrich Spies, sagt dagegen, „dass Herr Gröhe mit der Antwort der KBV nicht zufrieden sein wird und einen Staatskommissar da hineinsetzt“. Angesichts der Ausmaße der Affäre meint ein Insider: „Ein Staatskommissar kann nur der Anfang sein.“
Es dürfte bei den Medizinern also noch ordentlich Dampf im Kessel sein, wenn Gröhe gleich tags drauf zur Eröffnung des 119. Ärztetags nach Hamburg kommt. Ausgerichtet wird der von der Bundesärztekammer. Dort dürfte sich Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery Abwahlanträgen zu erwehren haben.
„Einen personellen Neuanfang“ fordert Dirk Heinrich, Vorsitzender des Spitzenverbands der Fachärzte. Die Montgomery-Gegner werfen dem Hanseaten Selbstherrlichkeit bei einer für die Ärzte zentralen Frage vor. Es geht darum, was sie für die Behandlung von Privatpatienten abrechnen können. Seit fünf Jahren verhandeln Bundesärztekammer und private Krankenversicherung über eine neue Gebührenordnung – kurz: GOÄ.
Beendet werden sollten eigentlich die oft chaotischen Zustände bei Abrechnungen für Privatpatienten. Denn seit 1982 hat sich bei der GOÄ nicht mehr viel geändert – viele neuere Methoden sind dort gar nicht aufgenommen. Also müssen Ärzte oft ganz andere Leistungen angeben, die vom Aufwand her vergleichbar sein sollen. Die Folge: viele Rechtsstreitigkeiten rund um die Milliarden für die Ärzte.
Doch bei vielen Medizinern wuchs immer mehr das Misstrauen gegen ihre Verhandlungsführer. Im März folgte der Crash. Der damalige Verantwortliche der Ärztekammer stimmte selbst gegen die neue GOÄ, das Projekt war vorerst gescheitert. Fach- und Hausarztverbände kritisierten Chaos in der Bundesärztekammer. Sie warfen Montgomery vor, keinerlei Rücksprache mit ihnen gehalten zu haben.
Montgomery, früher Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, hat allerdings noch so viele Anhänger, dass es die nötige Dreiviertelmehrheit für seine Abberufung auf dem Ärztetag kaum geben dürfte. „Aber“, so sagt ein Kritiker, „der Denkzettel soll so groß sein, dass er bei der nächsten Wahl nicht wieder antritt.“ Basil Wegener
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