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Die Stunde der Fleißigen

Wandel Mit Gladbach, Hertha und Mainz haben sich drei vermeintliche Außenseiter fürs internationale Geschäft qualifiziert. Möglich wird das, weil hinter Bayern und Dortmund die Topclubs verschwinden

Könnte bald Champions League spielen: André Hahn Foto: dpa

Aus Berlin Alina Schwermer

Als André Hahn per Kopf das entscheidende 2:0 für Borussia Mönchengladbach erzielte, war endgültig besiegelt, was eigentlich schon vor der Partie so gut wie feststand: Die Gladbacher werden nach verkorkstem Saisonstart auch in der kommenden Spielzeit Champions League spielen können – vorausgesetzt, sie schaffen es durch die Qualifikation. Für viele Fußball­romantiker ist das eine der schönen Geschichten des Fußballs: Die einstige Fohlenelf schafft es mit begrenzten finanziellen Mitteln, angenehmer Bescheidenheit und ohne große Stars regelmäßig in die höheren Höhen der Bundesliga. Ebenso wie Mainz 05, das sich zum ersten Mal direkt für die Europa League qualifiziert hat. Doch was sagt das über die Liga?

Es gibt eine Abschlusstabelle, die die vergangene Saison auf recht eindrückliche Weise abbildet. Darin sind die Teams in Abständen entsprechend ihren Punktzahlen dargestellt. Für jeden Punkt Abstand gibt es eine Leerzeile. Wenig überraschend preschen die Bayern und der BVB voraus wie Rennpferde beim Ponyreiten. Über die erdrückende Dominanz der beiden Vereine ist genügend geschrieben worden. Viel frappierender jedoch ist eine andere Statistik: Zwischen allen anderen Clubs gibt es kaum einen Abstand.

Während früher die Topclubs zweiter Garde wie Bremen, Stuttgart, Leverkusen, Schalke, Hamburg oder Hertha um die internationalen Plätze kämpften, klafft heute ein weiter Abstand zwischen Bayern, Dortmund und dem Rest. Die einstigen Clubs zweiter Garde haben sich eingereiht in einen großen, grauen Pulk von No-Name-Clubs fast ohne Hierarchien. Die Bundesliga hat ihre Mittelschicht verloren.

Wo sind die Clubs hin? Jene Vereine, die als große Gegner galten, weil sie Stars und ein paar deutsche Nationalspieler hatten, die zwar vielleicht nicht um die Meisterschaft spielen würden, aber eine attraktive Partie versprachen. Es sind nicht mehr viele übrig.

Der Bundesliga sind die Clubs der oberen Mittelklasse ab-handengekommen

Der VfB Stuttgart ist am Samstag abgestiegen; endlich, möchte man fast sagen. Der einstige große Bayern-Widersacher Werder Bremen konnte sich nur mit Mühe und Not vor Liga zwei retten; der HSV schlingert schon seit Jahren kurz vor dem Abstieg herum und Hertha kann froh sein, dass die Saison jetzt vorbei ist, sodass man noch irgendwie auf der Euro-League-Qualifikation gelandet ist. Es ist eine eindrückliche Erosion, die in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden hat. Beim Wettrüsten an der Spitze konnten die Clubs der oberen Mittelschicht nicht mithalten. Sie haben sich, wie im Fall von Werder, mit großen Transfers verhoben oder sind, wie der HSV oder Stuttgart, am eigenen Größenwahn gescheitert.

Eigentlich bleiben nur noch Leverkusen und Schalke von der zweiten Garde. Die neuen Vereine im oberen Tabellenfeld haben damit nicht mehr viel zu tun. Wer würde Gladbach oder Mainz als Topteams bezeichnen? Es sind kleine, fleißige Mannschaften, die die Gunst der Stunde genutzt und sich durchgebissen haben. Das ist bemerkenswert und hat auch einen Hauch Fußballromantik. Aber es kann nicht übertünchen, dass der Liga der Mittelbau abhan­den­gekommen ist.

Das bedeutet eine noch ungleichere Verteilung der Stars, weniger Topspiele innerhalb der Liga und geringe Chancen im internationalen Wettbewerb. Die meisten deutschen Teams dürften sich früh von der interna­tio­nalen Bühne verabschieden. Es fehlt an Klasse in der Breite. Und es ist diese Situation, die die Fußballwunder in Gladbach, Mainz oder Hertha erst möglich gemacht hat.

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