: Zimmer in Aussicht
Reinlassen Wie Flüchtlinge in Berlin eine eigene Bleibe finden. Wollen Mieter einzelne Zimmer an Zuwanderer vergeben, brauchen sie die Genehmigung zur Untervermietung
von Hannes Koch
Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge sinkt. Der Druck scheint nachzulassen. Das Thema rutscht auf der Prioritätenliste der öffentlichen Debatte nach unten. Doch die Not- und Erstunterkünfte sind immer noch voll. Tausende Menschen, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland und Berlin kamen, suchen Wohnungen, um so etwas wie ein normales Leben zu beginnen. Was ist bei der Vermietung an Migranten zu beachten?
Große Nachfrage
Sowohl Vermieter als auch Flüchtlinge können sich in Berlin an das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) wenden. Dieses vermittelt Wohnungen und Zimmer im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso). Mithilfe des EJF seien 2015 knapp 1.000 Mietverträge zustande gekommen, sagt Friederike Subklew-Sehume, die Leiterin der Vermittlung. In diesem Jahr waren es bis März knapp 300 Verträge für fast 700 Zuwanderer. Die Liste der Wartenden ist aber sehr lang. Etwa 8.000 Flüchtlinge suchen eine private Unterkunft in Berlin.
Das Lageso übernimmt die Kosten, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. Eine davon: Die Privatunterkunft darf nicht zu teuer sein. Die Obergrenze bei der monatlichen Bruttokaltmiete liegt für eine Person beispielsweise bei 437,40 Euro. Bei zwei Bewohnern steigt die Grenze auf 524,88 Euro, bei drei auf 621,90 Euro.
Hinzukommen noch etwa 60 bis 90 Euro pro Monat für Heizung und warmes Wasser. Diese Obergrenzen in der Abhängigkeit von bestimmten Heizarten und Gebäudegrößen sind in einer Tabelle festgehalten, die sich auf der Internetseite des EJF findet – ebenso wie die zulässigen Höchstmieten für die jeweilige Haushaltsgröße. Den Strom müssen die Mieter selbst bezahlen. Dafür und die übrigen Lebenshaltungskosten finanziert das Lageso das definierte Existenzminimum.
Die Mietverträge müssen eine gewisse Mindestdauer aufweisen. Bei nicht möblierten oder teilmöblierten Wohnungen sind das zwei Jahre. Sind die Zimmer oder Wohnungen komplett mit allem Nötigen ausgestattet, muss der Vertrag über mindestens sechs Monate laufen.
Das EJF kann Unterkünfte an diejenigen Zuwanderer vermitteln, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen. Das bedeutet, dass die Flüchtlinge einen Asylantrag gestellt haben. Das Verfahren über die Anerkennung ist in diesen Fällen in der Regel noch nicht abgeschlossen. Ist die Entscheidung gefallen und die Flüchtlinge können hierbleiben, sind die Bezirksämter zuständig, nicht mehr Lageso und EJF. Die Ausnahme bildet das Bezirksamt Mitte, für das das EJF durch einen Kooperationsvertrag seit Januar 2016 auch Vermittlungen vornimmt.
Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) informiert zur Vermietung von Wohnungen und Zimmern an Flüchtlinge, etwa mit Angaben zu Miethöhen, Heizkosten und Auswahlverfahren. Das EJF stellt auch ein Infoblatt für Vermieter zur Verfügung. www.wohnraum-fuer-fluechtlinge.de
Für allgemeine Informationen gibt es eine Infohotline: (08 00) 9 64 67 82 43. Spezifische Nachfragen werden unter 30 87 36 52 beantwortet.
Außerhalb Berlins, etwa in Brandenburg, gilt: Zuständig für die Unterbringung von Flüchtlingen auch in privaten Wohnungen sind jeweils die Kommunen. Von Stadt zu Stadt existieren unterschiedliche Verfahren. Man muss sich am eigenen Wohnort erkundigen, welches Amt oder welcher beauftragte Träger Wohnungen an Zuwanderer vermittelt.
Bundesweit kann man sich auch an die Organisation Flüchtlinge Willkommen wenden. Auf deren Internetseite werden Zimmer in Wohngemeinschaften, aber auch in anderen Haushalten vermittelt. Bis April dieses Jahres kamen 296 Vermittlungen zustande. www.fluechtlinge-willkommen.de
Gefahr der Kündigung
Für Wohnungs- und Hauseigentümer ist die Vermietung an Flüchtlinge unproblematisch. Sie müssen dem EJF lediglich den Besitz der jeweiligen Immobilie nachweisen. Von Mietern verlangt die Vermittlung die Vorlage des Hauptmietvertrages. Außerdem ist es notwendig, eine Genehmigung des Eigentümers oder der Hausverwaltung einzureichen, mit der erlaubt wird, die Wohnung unterzuvermieten. Ist die Untervermietung bereits im Hauptmietvertrag gestattet, braucht man keine zusätzliche Erklärung mitzubringen.
Heute benötigen Mieter die Zustimmung der Hausverwaltung oder des Eigentümers zur Untervermietung in jedem Fall, heißt es beim Berliner Mieterverein. Ignorieren die Mieter diese Bestimmung und vermieten ihre Wohnung oder Teile davon trotzdem weiter, riskieren sie die Kündigung. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, plädiert dafür, diese Regelung zu ändern. Er setzt sich dafür ein, dass die Mieter einen Anspruch erhalten, untervermieten zu können. Die Vermieter sollten nur in begründeten Ausnahmen widersprechen dürfen, so Wild.
Dies würde die Vermietung an Flüchtlinge erleichtern. Mehr Menschen könnten schneller eine eigene Bleibe finden. Es käme aber auch den Mietern zugute. Angesichts steigender Wohnungskosten fällt es manchen schwer, das Geld aufzubringen. Die Untervermietung von Zimmern kann mitunter helfen, eine Wohnung zu behalten, die sonst zu teuer wäre.
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