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Den gibt es wirklich noch

Konzert Im White Trash spielte Psychedelic-Ikone Roky Erickson. Ein Fest für Hippies und Punks

Seine Gitarre hat Roky Erickson in der Hand, um sich an etwas festzuhalten

Die Dämonen von Roky Erickson scheinen es besser mit ihrem Schützling zu meinen als die Götter manch anderer Rockstars mit diesen. Gerade stirbt ein wichtiger Popstar nach dem anderen, Udo Lindenberg muss zum Siebzigsten überall die Frage beantworten, warum er denn überhaupt noch lebt bei diesem Lebenswandel – und just da meldet sich einer zurück, bei dem man sich erst mal die Augen reibt und fragt: Wie, den gibt es wirklich noch?

Roky Erickson ist schließlich nicht nur ein Kind der Psychedelic-Ära der späten Sechziger, mit seiner Band „The 13th Floor Elevators“ hat er sie sogar entscheidend geprägt und dabei so ziemlich jede Substanz zu sich genommen, unter deren Einfluss man den Rock eben psychedelisch machte. Acid, so stellt man sich das vor, gab es schon zum Frühstück. Der Mann, der da nun im ausverkauften White Trash auf der Bühne sitzt, um mit seiner Begleitband „The Hounds of Baskerville“ eine Art „Best-of-13th Floor Elevators“ zum Besten gibt, muss Dinge während all seiner Trips gesehen haben, die wir uns gar nicht vorstellen können.

Als es dann mit seiner Band Ende der Sechziger zu Ende ging, wurde er in seiner Heimatstadt Austin, Texas, erstmals wegen des Besitzes von Marihuana eingebuchtet; er kam in psychiatrische Behandlung, wurde Elektroschocks unterzogen. Dass er danach immer weitermachte, ein Comeback als Solokünstler nach dem anderen versuchte, grenzt schon an ein Wunder, und so wird der Mann, der bald 70 wird, bei seinem Konzert einfach schon dafür gefeiert, dass er all die Krisen in seinem Leben schlichtweg überlebt hat. Man merkt ihm freilich an, dass er so einiges hinter sich gebracht hat.

Die Band, allesamt vergleichsweise junge Musiker, unternimmt alles, damit sich Roky Erickson nicht überanstrengen muss. Die Musik, die Ansagen ans Publikum, alles kommt von der Band. Roky Erickson mit seinem Rauschebart sitzt einfach nur da und singt sich mit brüchiger Stimme durch ewige Hits der „13th Floor Elevators“ wie „Roller Coaster“ oder „You’re Gonna Miss Me“, die damals schon zig Garagen-Bands aus Texas prägten und später Legionen an Neo-Psychedelic-Bands in der ganzen Welt beeinflusst haben. Selbst seine Gitarre hat Erickson ganz offensichtlich vor allem deswegen in der Hand, um etwas zu haben, woran er sich festhalten kann. Immer wieder greift er auf den Bünden seines Instruments her­um, lässt es dann aber wieder bleiben, was aber keinerlei Einfluss auf die dargebotene Livemusik hat.

Gekommen sind ins White Trash nicht nur Althippies, sondern auch erstaunlich viele Punks mit „Ramones“-T-Shirts. Erickson war eben schon in der Woodstock-Ära alles andere als der Love-&-Peace-Typ, sondern eher der Outlaw aus Texas, für Punks war er deswegen nie der alte Sack von gestern, sondern der ewige Freak, der sich einfach nie anpassen wollte.

Andreas Hartmann

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