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Lachende Erben

Komödie Das Zeughauskino zeigt Filme über Taugenichtse, die von Taugenichtsen gespielt und gefilmt worden sind

von Carolin Weidner

Marquard (Marquard Bohm), einer, der sich mit Tieren und deren speziellen Verhaltensweisen besonders gut auszukennen scheint, erklärt etwas über die Rohrdommel. Das sei ein Vogel, der im Schilf lebe. Und was kann dieses kleine Tier? Droht Gefahr, macht es sich ganz senkrecht, sodass es vermeintlich zwischen den Schilfrohren verschwindet. Marquard stellt das schön dar, in seinem weißen Anzug. Im Kontext des Films „Liebe so schön wie Liebe“ (Klaus Lemke, BRD 1971), in welchem jener Marquard auftaucht, als auch in der gesamten Filmreihe „Komödie der Gammler“. Zwischen dem 4. 5. und 10. 6. im Zeughauskino zu sehen, erhält die Geschichte noch einmal einen anderen Geschmack. Dann werden nämlich plötzlich alle Bundesbürger zu Rohrdommeln, die sich bei Bedrohung senkrecht machen, ununterscheidbar werden und gewollt unauffällig. In der Reihe „Komödie der Gammler“ kann man einigen von ihnen begegnen. Etwa in Peter Fleischmanns Dokumentarfilm „Herbst der Gammler“ (BRD 1967). Beobachtbar ist dort nicht nur, wie sich der ordentliche Bürger im Kollektiv verhärtet und verbal ausfährt – nein, es wird auch deutlich, welche Sorte Anlass er dafür benötigt: den Gammler. Wer ist der Gammler? In „Herbst der Gammler“ kommen sie als aus Erziehungsheimen ausgerissene junge Männer und Frauen daher, als Saisonarbeiter, als Reisende. Gemein ist ihnen allen die Verweigerung, dauerhaft in einer Gesellschaft unterzuschlüpfen, deren Ideale und Zielvorgaben nicht geteilt werden können. Jene Entscheidung führt auf die Straße, in die Parks, aber auch in eine neue Gemeinschaft. Fleischmann zeigt, wie man sich morgens am Brunnen die Zähne putzt, sich im Schlafsack liegend gegenseitig den Zigarettenqualm ins Gesicht pustet; es gibt Liebesgeschichten und Ausflüge aufs Oktoberfest. Allerdings: immer vor der Kulisse aufrechter Ansässiger, die „ihr ganzes Leben hart gearbeitet“ haben und finden, dass so etwas wie das Gammeln unter „dem Adolf“ nicht möglich gewesen wäre. Der Ton, der den jungen Leuten in „Herbst der Gammler“ entgegenschlägt, muss erst einmal verdaut werden. Da ist keine Spur von Zurückhaltung und gesenkten Köpfen. Man währt sich der jüngeren Generation gegenüber im Recht und macht auch keinen Hehl daraus.

In diesem Sinne gibt es wenig Rohrdommelhaftes an ihnen. Wenn man jedoch bedenkt, dass sich eine Aggression an den einerseits als nicht bedrohlich, andererseits als provokant empfundenen „Gammlern“ entlädt, die wiederum das angepasste Leben jener Nicht-Gammler karikieren, dann wird Fleischmanns „Herbst der Gammler“ zum Schaubild jenes Frustes über das eigene Rohrdommel-Dasein. Und freilich wird da gegen die geschossen, welche sich einem Diktat der Angepasstheit und der Arbeit widersetzen. Im Zeughauskino ist eine ganze Schar dieser Taugenichtse zu bewundern, die wiederum von Taugenichtsen gespielt sowie gefilmt worden sind. Ein ganzer GammlerInnen-Zusammenschluss. Einer von ihnen ist zum Beispiel der Regisseur Hartmann (Rainer Friedrichsen) in „Das Casanova-Projekt“ (BRD 1981) der Gruppe Arnold Hau, dem während der Tage um seinen 40. Geburtstag aufgeht, dass er in seinem Leben bisher noch keinen wesentlichen Erfolg errungen hat. Dies soll sich nun mit dem „Casanova-Projekt“ ändern, der Verfilmung der frivolen Biografie des Gleichnamigen. Zu Casanova wird ein gewisser Herr Edel (Alfred Edel).

In diesem Sinnegibt es wenig Rohrdommelhaftes an den jungen Leuten

„Das Casanova-Projekt“ ist trübsinnig und bissig, blutarm doch von satirischer Lebenskraft. Eine Kennung nicht nur der Gruppe Arnold Hau, deren Kurzfilme das Zeughauskino am 13. 5. in einem eigenen Programm präsentieren wird. Auch Werner Nekes „Johnny Flash“ (BRD 1986) mit Helge Schneider als aufstrebenden Schlagersänger Jürgen Potzkothen in der Hauptrolle ist von einer unfassbaren Muffigkeit durchsetzt, die sich dank Mitteln der Satire jedoch selbst entfesselt. Bis hin zum Höhepunkt des Films, einer Schlagerparade, in welcher Schneider nacheinander zuPierre Lavendel, Roy Kabel, Christoph Schlingensief und schließlich zum umjubelten Johnny Flash mutiert.

Mit einem anderen Kaliber hat man es bei Hanno Giessen (Ulrich Schamoni) zu tun, dem wohlhabenden Enkel des Erfinders des Chapeau-Claque-Zylinders (ein Kassenschlager aufgrund seiner Faltbarkeit). Ulrich Schamonis „ChapeauClaque“ (BRD 1974) liefert Einblicke in das Leben dieses Gammlers, der abgeschieden und weltfremd in einer Villa lebt. Be- und Versorgung werden von außen geregelt, durch regelmäßige Betankungen des Hauses mit Nahrungsmitteln und Heizöl. So bleibt auch genügend Zeit für die kurzen Filmbotschaften, welche Giessen, stets in einen Morgenmantel gehüllt, herstellt. Thomas Groh, mitverantwortlich für die Kompilation der durchweg sehenswerten Filmreihe, schrieb vor einigen Jahren über „Chapeau Claque“: „Eigentlich, denkt man sich beim Schauen, sollte jeder ein großes Haus, einen wilden Garten, verschrobene Hobbys und Freizeit haben.“

Filmreihe „Komödie der Gammler“: Zeughauskino, Unter den Linden 2, 4. 5.–12. 6., Programm: www.dhm.de

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