: So schief wie auf Schalke
bundesliga Der Gelsenkirchener Klub spielt gut, geht mit zwei Toren in Führung, die Mannschaft kämpft, aber am Ende gewinnt Bayer Leverkusen 3:2. Die Heimniederlage steht für das Ende des Projekts Breitenreiter
Aus Gelsenkirchen Daniel Theweleit
„Das ist ein brutal enttäuschender Tag“, sagte André Breitenreiter. Der Trainer des FC Schalke 04 hätte mit einem Sieg über Bayer Leverkusen gute Aussichten auf die Qualifikation für die Champions League gehabt. Und vielleicht sogar auf einen Verbleib im Amt.
Nun müssen sich die Schalker endgültig von ihrem wichtigsten Saisonziel verabschieden, und Breitenreiter bemühte sich gar nicht mehr, seine Ratlosigkeit zu verbergen. „Das ist definitiv momentan nicht zu erklären“, sagte er, nachdem sein Team zunächst souverän mit 2:0 geführt und am Ende mit 2:3 verloren hatte.
In Breitenreiters Trauer schwang eine große Enttäuschung über den Spielverlauf mit. Und natürlich der Schmerz darüber, dass er wahrscheinlich ein spannendes Projekt aus der Hand geben muss, das gerade erst richtig interessant wird. Man habe „gesehen, was möglich ist, wenn die Jungs das mit Leben füllen, was wir vorgeben“, sagte Breitenreiter über die erste Halbzeit. „Das ist die Art, wie wir die Entwicklung nehmen wollen, das war der Fußball, den ich mir vorstelle.“
Die Mannschaft hatte die vielleicht beste erste Halbzeit der Saison gespielt und sich auch in der Schlussphase noch einmal vehement gegen die Niederlage gewehrt. Die sechs Minuten, in denen Leverkusen die Schalker Führung durch drei Tore in einen eigenen Sieg verwandelte, waren natürlich enttäuschend, aber diese Momente könnten auch als Teil eines Lernprozesses betrachtet werden. Bei den Rheinländern handelt es sich schließlich um die Mannschaft der Stunde, die nun schon sechs Mal am Stück gewonnen hat. Die Fans hätten bei aller Enttäuschung gute Gründe gehabt, dem Team nach dem Abpfiff für ein tolles Spektakel zu applaudieren, doch als die Spieler zum rituellen Schulterschluss in die Kurve kamen, schlug ihnen der blanke Zorn entgegen.
Das war erstaunlich. Auf Schalke ist das Gesamtklima offenbar derart vergiftet, dass selbst alte Werte und Instinkte nicht mehr funktionieren. „Es könnte so schön sein, wenn Schalke leben würde, was geredet wird“, sagte Breitenreiter und meinte damit wohl nicht nur die Anhänger, sondern auch Clemens Tönnies, der ständig eigene Vorsätze über den Haufen wirft. Vor der Saison hatte der Aufsichtsratschef etwa angekündigt, dass er sich aus dem operativen Geschäft fernhalten wolle, um kurz darauf mit Christian Heidel einen neuen Manager anzuwerben. Und wenn nicht alles täuscht, dann ist der Fleischfabrikant derzeit auch die treibende Kraft hinter der Trainersuche. Die Diskrepanz zwischen Vorsatz und Tat ist zu einem grundlegenden Wesenszug des Klubs geworden.
Am deutlichsten wurde das nun tatsächlich an der wütenden Reaktion der Fans, die ja zu Saisonbeginn noch begeistert waren von der Idee, mit Sorgfalt und Geduld ein junges, spannendes Projekt aufzubauen, in dem auch Fehler passieren dürfen. Dass die Leute nun an genau dem Tag, an dem das Team diesem Vorsatz besonders nah kam, derart hasserfüllt reagierten, überraschte viele Beobachter.
Dabei waren die Schalker in zwei Dritteln der Spielzeit gut, vielleicht sogar sehr gut. Max Meyer, Leroy Sané, Eric Maxim Choupo-Moting oder Pierre-Emile Hojbjerg glänzten lange, „wir haben vor der Pause gezeigt, zu was wir im Stande sind“, sagte der anfangs überragende Choupo-Moting. Und in der Schlussphase haben sie sich noch einmal leidenschaftlich aufgebäumt. Klaas-Jan Huntelaar, der in der ersten Halbzeit einen Elfmeter verschoss, hatte eine wunderbare Ausgleichschance, scheiterte aber.
Schalkes Torhüter Ralf Fährmann wurde derweil zur tragischen Figur. Mit einem überhasteten Abwurf hatte er Julian Brands Anschlusstreffer zum 2:1 ermöglicht, und Karim Bellarabis Ausgleichstor hätte Fährmann auch verhindern müssen. „Wenn ich die Fehler nicht mache, gewinnen wir das Spiel, ich möchte mich bei der Mannschaft, bei jedem einzelnen Fan entschuldigen“, sagte der Keeper. So scheint das eben zu sein mit dem FC Schalke in dieser Unglückssaison: Irgendwas geht immer schief.
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