: Interessiert die Bohne?
EXPERIMENT Landwirte wollen die Sojapflanze in Deutschland heimisch machen. Dafür müssen neue, kälteresistente Sorten gezüchtet werden. 2.400 Hobbygärtner helfen
von Katja-Barbara Heine
2015 war ein Rekordjahr für den deutschen Sojaanbau: 17.300 Hektar Land, eine Fläche von 24.000 Fußballfeldern, wurde mit der beigen Bohne bestellt, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Ernte fiel allerdings enttäuschend aus. „Wir hatten uns mehr erhofft“, sagt Jürgen Unsleber, Berater beim Soja-Netzwerk, das den heimischen Anbau fördert. „Aber der Sommer war zu trocken.“
Die Hülsenfrucht aus Asien hat hohe Ansprüche. Sie braucht viel Wärme, viel Wasser und muss vor Unkraut geschützt werden. Die meisten deutschen Sojaäcker liegen in den milden Regionen Bayerns und Baden-Württembergs. Im Rest des Landes ist es zu kalt. Derzeit liefert die heimische Ernte knapp ein Prozent des landesweiten Sojabedarfs. Viel zu wenig – darin sind sich Agrarpolitiker einig. Deutschland ist von Importen abhängig und führt jedes Jahr rund 5 Millionen Tonnen Soja ein. Aus Argentinien und Brasilien, in kleinen Mengen auch aus Frankreich, Italien und Österreich.
Deutschland könnte ohne Importe nicht annähernd so viel Fleisch produzieren, wie es das derzeit tut: Nur ein winziger Bruchteil des Sojas wird zu pflanzlichen Lebensmitteln wie Tofu oder Sojamilch verarbeitet. 99 Prozent landen in Tiermägen. Mit seinem hochkonzentrierten Eiweißgehalt ist Soja das ideale Futtermittel für Masttiere. Doch in Lateinamerika wächst Soja in riesigen Monokulturen, für die Regenwälder abgeholzt werden. Ein Großteil ist noch dazu genetisch verändert. Folglich wird der Ruf nach heimischem, gentechnikfreiem Soja immer lauter: bei Umweltschützern, Tofu-Herstellern und Veganern. Aber auch bei Geflügelzüchtern und Schweinemästern, die Fleisch und Eier mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ kennzeichnen möchten. Hinzu kommt die Sorge, dass Futtersoja auf dem Weltmarkt knapp werden könnte, seit in China die Schweinemast boomt: Der bevölkerungsreichste Staat kauft bereits zwei Drittel der international gehandelten Ernte auf.
Deutsche Bauern versuchten sich in den 1970ern schon einmal im Sojaanbau – ohne großen Erfolg. Heute stehen die Chancen besser: „Deutschland ist durch den Klimawandel wärmer geworden“, sagt Martin Miersch, Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Sojaanbau. „Das gefällt der Sojabohne. Außerdem ist die Züchtung robusterer Sorten vorangeschritten. Und der Anbau wird gefördert.“
Soja ist nicht nur zimperlich, es bringt auch weniger Erträge als Weizen, Mais oder Raps. Doch für Landwirte, die sich an den Exoten heranwagen, gibt es einen Anreiz: Die EU zählt Sojafelder zu den ökologischen Vorrangflächen, für die es eine „Greening“-Prämie von 87 Euro pro Hektar gibt. Denn Soja versorgt den Boden mit wertvollen Proteinen. Mit insgesamt 15 Millionen Euro fördert das Landwirtschaftsministerium im Rahmen der „Eiweißpflanzenstrategie des Bundes“ die Soja-Forschung. Dafür haben sich öffentliche Institutionen im Soja-Netzwerk zusammengeschlossen. Auf 120 Betrieben in elf Bundesländern werden verschiedene Sorten getestet.
Auch Biotofu-Hersteller und Demeter-Partner Taifun will die Züchtung vorantreiben. Für das Soja-Experiment „1.000 Gärten“ hat sich das Freiburger Unternehmen mit der Uni Hohenheim zusammengetan. Dabei geht es ausschließlich darum, Biosoja für schmackhaften Tofu zu züchten. „Wir sagen ‚Nein!‚zum Umweg über das Tier“, heißt es auf der Projekt-Website. Das wertvolle Sojaprotein solle direkt verzehrt werden – vom Menschen. Im November rief Taifun Profi- und Hobbygärtner im ganzen Land auf, mitzumachen und verschiedene Sorten in ihren eigenen Gärten anzubauen. Aus den geplanten 1.000 Gärten wurden rund 2.400. „Die Leute rannten uns die Bude ein“, sagt Martin Miersch, der das Projekt wissenschaftlich betreut. „Das zeigt, dass das Thema die Menschen beschäftigt. Außerdem ist Gärtnern hip.“
Die Soja-Experten hoffen, dass die Initiative die eine oder andere geeignete Sorte hervorbringen wird. „Wir könnten den Anbau in Deutschland verzehnfachen“, sagt Martin Miersch. „An der deutschen Küste wird nie Soja gedeihen. Aber zum Beispiel in Sachsen gibt es viele klimatisch günstige Regionen.“ Pflanzenbauberater Jürgen Unsleber meint: „Das Billigsoja aus dem Ausland werden wir nie ersetzen können. Aber wir können einen wichtigen Betrag leisten, wenn wir Sorten finden, die mit weniger Wärme auskommen.“
Den 2.400 Testgärtnern wird dieser Tage das Saatgut zugeschickt, in zwölf Tütchen abgepackt und mit einer Anleitung, was genau zu tun ist. Je nach Klimazone gibt es andere Sojakreuzungen. Von April bis Mai wird die Bohne gesät. Geerntet wird Ende September, Anfang Oktober – wenn das Wetter mitspielt.
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