piwik no script img

SPD redet nicht über den Chef

Sinkflug Ist Sigmar Gabriel schuld am 21-Prozent-Tief der Sozis? Generalsekretärin Katarina Barley gibt sich gelassen. Doch in der SPD wächst die Angst vor 2017

AUS BERLIN Ulrich Schulte

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley hält eine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel angesichts des Sinkflugs in den Umfragen für falsch. „Ich bin der festen Überzeugung, dass uns Personaldebatten nicht hochbringen werden“, sagte Barley am Montag. Die Partei habe auch kein Glaubwürdigkeitsproblem, weil die SPD seit zweieinhalb Jahren in der großen Koalition „ursozialdemokratische Politik“ mache. „Was wir da durchsetzen und umsetzen konnten, ist beeindruckend“, meinte Barley mit Blick auf Mindestlohn, Renten oder das Integrationspaket.

Die Jusos verlangen hingegen eine „schonungslose Analyse“ des von Gabriel zu verantwortenden SPD-Kurses. „Mit 21 Prozent sind wir an einem Punkt angelangt, wo jedem verbliebenen Sozi das Herz in die Hose rutschen sollte“, sagte Juso-Chefin Johanna Uekermann der Welt. Viele Menschen wünschten sich mehr soziale Gerechtigkeit, doch immer weniger trauten dies der SPD zu.

Uekermann hatte bereits beim Parteitag im Dezember Gabriel kritisiert und dessen Glaubwürdigkeit angezweifelt. Allerdings sind die Jusos allein mit ihrer scharfen Kritik. Aus der Parteiführung äußert sich niemand öffentlich kritisch über den Chef – im Gegenteil.

Zuletzt hatten SPD-Vizevorsitzende wie Olaf Scholz, Thorsten Schäfer-Gümbel oder Ralf Stegner den SPD-Vorsitzenden demonstrativ gelobt. Niemand, so die offizielle Botschaft, zweifelt an Gabriels Eignung, Angela Merkel im Jahr 2017 als SPD-Kanzlerkandidat herauszufordern. Intern sind viele Genossen davon überzeugt, dass Gabriel in ein aussichtsloses Rennen geht. Auch deshalb haben Spitzenleute wie Scholz kein Interesse daran, 2017 den Kampf gegen Merkel selbst aufzunehmen. Stattdessen bereiten sie sich lieber auf die Zeit danach vor – auf die Post-Gabriel-Ära.

Die Frage ist, ob sich eine Personaldebatte auf Dauer unterdrücken lässt. Im jüngsten Deutschlandtrend war die Partei auf 21 Prozent abgerutscht. Das war der niedrigste Wert für die SPD in der ARD-Umfrage seit 1997. Auch in anderen Umfragen ist die SPD in den vergangenen Wochen abgesackt. Barley versuchte, Gelassenheit auszustrahlen. Die Umfragewerte würden sicherlich niemanden in der SPD beglücken. „Inzwischen sind sie besonders weit unten angekommen, aber schlechte Umfrageergebnisse beschäftigen uns ja nicht erst seit gestern.“

„Jedem verbliebenen Sozi sollte das Herz in die Hose rutschen“

Juso-Chefin Johanna Uekermann

Gabriel forderte am Wochenende bei einem Landesparteitag der niedersächsischen SPD in Braunschweig, seine Partei müsse sich wieder auf ihre Kernwerte besinnen. „Wir müssen unseren Anspruch erneuern, Schutzmacht der kleinen Leute zu sein – das muss unsere Antwort auf das Erstarken des Rechtspopulismus sein.“

Bei dem Parteitag im Dezember, wo er bei seiner Wiederwahl mit nur 74 Prozent abgestraft wurde, klang das noch anders. Damals warb er, die SPD müsse sich stärker an der arbeitenden Mitte orientieren. Auch ließ er keine Zweifel daran, welche linken Forderungen mit ihm nicht zu machen seien: So wandte er sich gegen Steuererhöhungen und den Stopp von TTIP.

Bei den drei Landtagswahlen im März kassierte die SPD dann harte Niederlagen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt und verlor viele Wähler an die AfD. Der Sieg von Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz verhinderte aber eine härtere Debatte über Gabriel und den Zustand der SPD. (mit dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen