heute in Bremen
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Vortrag Jan Hillgärtner erklärt Wachstumsschübe und Zeitungskrisen aus historischer Sicht

Jan Hillgärtner

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ist Buchwissenschaftler und Doktorand an der schottischen St. Andrews University.

taz: Herr Hillgärtner, Sie sprechen heute über „Erfolge und Misserfolge einer neuen Medienform“ und meinen damit Zeitungen. Geht es unter dem Stichwort „Misserfolg“ darum, dass das Geschäftsmodell, bedrucktes Papier zu verkaufen, durch das Internet immer schlechter funktioniert?

Jan Hillgärtner: Nein. Ich untersuche die gewaltige Zunahme von Zeitungstiteln im 17. Jahrhundert. Von den gut 120 damals existierenden deutschsprachigen Zeitungen wurde allerdings nur ein Bruchteil älter als ein halbes Jahr.

War der 30-jährige Krieg dabei sowohl Ursache für Informationsbedarf als auch Hemmnis für stabile Produktionsbedingungen?

Sowohl als auch. Nach der Schlacht bei Frankfurt/Main 1622 kam dort die gesamte Zeitungsproduktion für ein Jahr zum Erliegen. Andererseits sorgte der Krieg natürlich auch für ein Interesse an Nachrichten.

Wie sahen denn Zeitungen damals aus?

Das waren Bleiwüsten im Quartformat, die nur sehr wenig Gliederung aufweisen. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tauchen spärliche Illustrationen auf.

Und wer hat das gelesen?

Große Teile der seinerzeit lesekundigen Gesellschaft. Es wurde aber auch sehr viel vorgelesen, etwa in Wirtshäusern und auf Marktplätzen.

Heute wird „Presse“ immer noch als Synonym zu „Medien“ verwendet, auch die Kollegen vom Radio beispielsweise haben einen „Presseausweis“. Ist das nicht ein absurder Anachronismus?

Absolut. Der Begriff „Presse“ taucht übrigens auch erst im 19. Jahrhundert auf, abgeleitet von dem Vorgang des Druckens. Zuvor sprach man von „Zeitungen“, was nichts anderes als „Nachricht“ bedeutet. Entsprechend enthielten diese Zeitungen auch keinerlei Kommentare.

Wie kommt es, dass ausgerechnet Bremen über den weltweit größten Bestand von Zeitungen des 17. Jahrhunderts verfügt?

Das hiesige Institut für Presseforschung wurde bereits in den 50er-Jahren gegründet und hat enorme Sammlungs- und Forschungsarbeit geleistet. So etwas findet man wirklich kein zweites Mal in Deutschland. Weltweit sind Quellen zur Zeitungsforschung extrem verstreut und entsprechend schwierig erreichbar.

Und wie steht es um die noch offene Wiederbesetzung der beiden verwaisten Bremer Presseforschungs-Professuren?

Die Verhandlungen, ob es eine Wiederbesetzung geben wird, sind, so wurde mir gesagt, noch im Gange.

Interview: Henning Bleyl

Vortrag: 16 Uhr, Staats- und Universitätsbibliothek