: In stiller Eleganz
KONZERT Die New Yorker Band Television gibt bei ihrem einzigen Auftritt in Deutschland am Dienstag im Berliner Huxleys gelassenen gitarrengetriebenen Geschichtsunterricht
von Thomas Mauch
Höflichkeit ist was Schönes. Dass man, wenn man in der Fremde ist, doch zum Beispiel wenigstens ein paar Worte der fremden Sprache für sich zurechtgelegt hat für eine Kontaktaufnahme.
Tom Verlaine ist so ein höflicher Mensch. Mit einem freundlichen „Guten Abend“ begrüßte der Television-Vorstand am Dienstagabend das Publikum im Berliner Huxleys, wenig später folgte ein „Danke schön“. Das galt dem Lichtmann, der bereitwillig die Scheinwerfer im Bühnenhintergrund ausknipste, weil sie mit den Schattenwürfen Verlaine bei seinem Spiel auf der Gitarre etwas irritierten. Fürs Publikum vollführte er tolle „chinese movements“, Tai-Chi-Figuren.
Es blieb an diesem Abend bei einer Beleuchtung von oben. Und zwar, man muss es festhalten, in einer schnöden Ausleuchtung der Bühne ohne Farbfilter. Da wurden keine dramatischen Lichtakzente gesetzt. Da gab es kein Flackern, kein Flirren. Der Lichtmann jedenfalls hatte einen ruhigen Job in dieser Nacht.
Überhaupt fiel im Huxleys auf: die Abwesenheit von jedwedem Schnickschnack. Keine bunten Lichter. Keine Show. Als ob man hier einfach mal so tun wollte, dass es beim Pop prinzipiell um die Musik ginge. Und die, die Television im Angebot hat, ist dafür ja tatsächlich gut genug. Ein schlaksiger, leicht vibrierender und schön fließender Gitarrenrock in einer stillen Eleganz.
Gerade auch wegen Letzterem mochte man sich im Huxleys noch einmal darüber wundern, dass so was in der Musikgeschichtsschreibung tatsächlich bei Punk abgelegt wurde. Was für Television nur soziokulturell seine Richtigkeit hat, waren sie doch Mitte der siebziger Jahre mal die Hausband im nachmalig berühmt gewordenen New Yorker Punkschuppen CBGB’s, wo auch die Ramones, Blondie oder Patti Smith ihr erstes Publikum fanden. Musikalisch aber sind Television mit dem singenden Ton der Gitarren von einem dahergelaufenen Eins-zwei-drei-Dosenbierpunk allemal so weit entfernt wie der Weihnachtsmann vom Osterhasen.
Geschenke verteilen
Wobei man ja an beidem mit durchaus guten Gründen festhalten kann. Television wären dann der Geschenke verteilende Weihnachtsmann. Weil die Band mit „Marquee Moon“ 1977 eine mehr als formidables Debütalbum vorgelegt hat, das sich seither nicht nur immer wieder in den beliebten Listen der besten Alben aller Zeiten findet. Sondern das, wichtiger, die fein gearbeitete Prägeformel für ganze Heerscharen von Indierockbands war, die auch nach und neben Punk weiter mit aller Macht an die Kraft der Gitarre im Rock ’n’ Roll glauben wollten. Und sich dabei manchmal sogar zur Zier ein Gitarrensolo – eigentlich der unbedingte Gottseibeiuns im Punkrock – nicht verkneifen konnten. Derlei lang ausgespielten Soli gönnten sich Television im Huxleys, ohne dabei auf irgendwelche Exzesse aus zu sein. Eher waren es Ehret-das-Handwerk-Einlassungen. Schöne, die Melodien mit Improvisation verbindende Ausstellungstücke. Sie sagten schlicht: So interessant kann Gitarrespielen immer noch, nach all den Jahren, sein.
Im Mittelpunkt des Konzerts standen die Lieder vom „Marquee Moon“-Album. Noch ein Stückchen mehr in sich ruhend klangen sie bei dem gelassenen Geschichtsunterricht auf der Bühne. Weil aber diese Lieder eben bereits damals, 1977, nicht einfach nur jugendlich waren, wirkten Television heute auch nicht wie eine Oldiekapelle ihrer selbst.
Und die Konzentration auf das tatsächlich ja stilbildende Album erklärt sich dann schlicht damit, dass die Band, lange Jahre ganz aufgelöst und nach dem Relaunch eigentlich nur gelegentlich praktizierend, überhaupt nur drei Studioalben im Repertoire vorzuweisen hat.
Freundlich und nicht gleich mit einem euphorischen Jubel wurden die Songs vom Publikum begrüßt. Was so auch passte. Eben auf alle Effekte verzichtend. Nichts Prahlerisches. Gelassen und gar nicht sonderlich aufgeregt. So wie die Lieder von Television sind.
Es war ein nicht über die Stränge schlagender, gediegener Abend. Angenehm. Weil bunte Lichter gibt es anderswo schon mehr als genug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen