Sportplatz: Auch eine Ring-Parabel: Fairness fürs Leben
BOXENMit einem internationalen Boxcup feiert Izzet Mafratoglus Isigym zehnjähriges Jubiläum – und damit auch eine Dekade soziales Engagement im Schöneberger Nordkiez
Bevor der Kampf beginnt, gibt es erst einmal ein Stück Torte. Einen nach dem anderen bittet Izzet Mafratoglu, den die meisten hier nur Izzy nennen, zu sich in den Ring, die Freunde und Förderer seines Schöneberger Boxclubs, um mit ihnen gemeinsam den großen Geburtstagskuchen anzuschneiden, der anlässlich des zehnjährigen Vereinsjubiläums von Isigym dort drapiert wurde.
Bei dem Feierzeremoniell, das Mafratoglu unaufgeregt über die Bühne bringt, wird der gestandene Boxtrainer zwischendurch dann aber doch ein bisschen sentimental und schaut verlegen zu Boden, als sein Jugendcoach und Mentor Fred Bergemann väterlich und in feinstem Berliner Zungenschlag feststellt: „Bist ‘nen Juter jeworden, Izzy.“.
Für diesen Satz gibt es zustimmenden Applaus. Denn dass Izzet Mafratoglu ein Guter geworden ist, finden auch die anderen anwesenden Zuschauer, die sich an diesem sonnigen Samstagabend in die Schöneberger Sporthalle aufgemacht haben.
Vor zehn Jahren gründete der gelernte Elektriker Mafratoglu seinen Boxverein Isigym im Schöneberger Nordkiez. Am Wochenende feierte er dieses Jubiläum mit einem internationalen Boxturnier für 36 Junioren zwischen 16 und 19 Jahren, die eigens aus Russland, Polen und der Türkei angereist sind, um sich mit Berliner Athleten aus dem Isigym und befreundeten Vereinen zu messen.
Alles begann 2004 mit einem Projekt der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag und ein paar kleinen Räumen in einer Souterrainwohnung auf der Kurfürstenstraße. Das Studio sollte einen positiven Impuls im Kiez setzen, die nachbarschaftlichen Beziehungen fördern, Kinder und Jugendliche von der Straße und in den Boxring holen.
Die ersten Sportutensilien brachte der legendäre Box-Promoter Wilfried Sauerland als Spende noch persönlich vorbei. Zwei Jahre später folgte der Umzug in das heutige Trainingsgelände in der Potsdamer Straße, das Stück für Stück erweitert wurde. Mittlerweile ist das Boxgym mit fast 1.500 Quadratmetern Trainingsfläche eines der größten in Deutschland überhaupt und gleichzeitig Berlins einziger olympischer Nachwuchsstützpunkt. Hier hat Mafratoglu unzählige Jugendliche entdeckt, trainiert und gefördert, aus denen später zum Teil Deutsche Meister und gestandene Profis wurden.
„Vor zehn Jahren habe ich noch alle genervt, weil sie dachten, ich würde nur reden“, sagt der kleine muskulöse Mann, sichtlich zufrieden mit sich selbst und dem, was er erreicht hat. „Für sie klang es wie ein Traum, den man nicht verwirklichen kann.” Heute muss Izzet Mafratoglu niemanden mehr etwas beweisen. Seine Erfolge sind für jeden sichtbar, man kennt ihn in der ganzen Stadt.
Mafratoglu geht es nicht nur um den Sport. Sich selbst sieht er zwar in der Rolle des Boxtrainers, aber zusätzlich vor allem auch als Sozialarbeiter. “Schöneberg ist immer noch einer der Brennpunkte in Berlin“, sagt er und meint damit vor allem die etwas weniger herausgeputzten Gegenden im Norden des Bezirks zwischen Bühlow- und Kurfürstenstraße.
Hier wuchs der gebürtige Türke selbst auf. Er kennt die Jugendlichen und die Probleme, die sie beschäftigen, weil er in seiner Jugend selbst damit konfrontiert war: Ausgrenzung, Sprachprobleme, mangelnde berufliche Perspektiven. Boxen kann da Abhilfe schaffen, weil der Sport Menschen unterschiedlichster Herkunft miteinander verbindet, davon ist Izzet Mafratoglu überzeugt. „Wir wissen, dass der wahre Boxkampf das Leben ist“, sagt er deshalb etwas pathetisch. „Die Fairness, die wir im Ring gelernt haben, tragen wir auch in unser Leben.“ Jakob Mühle
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