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Mercedes kommt Streikenden entgegen

ARBEITSRECHT Daimler löscht 761 Abmahnungen vorzeitig aus der Akte. Das ist ein „Teilsieg unseres Kampfes“, sagen die Betroffenen. Über die Rechtmäßigkeit politischer Streiks wird weiter gestritten

"Es handelt sich nicht um einen Gnadenakt der Werksleitung"

Gerhard Kupfer, Gewerkschafter

Vorzeitig gestrichen hat die Daimler AG 761 Abmahnungen, die wegen der „wilden Streiks“ gegen Leiharbeit 2014 ausgesprochen wurden. Das bestätigte der Konzern am Freitag.

Damit haben die Abmahnungen ihre Gültigkeit verloren – der Rechtsstreit geht aber weiter: 30 Mercedes-Mitarbeiter hatten gegen das Bremer Daimler-Werk geklagt. Sie kämpfen nicht nur gegen die Abmahnungen, sondern vor allem gegen das bestehende Streikrecht. Das besagt, dass nur Gewerkschaften zu Arbeitsniederlegungen aufrufen dürfen – und das auch nur bei Tarifverhandlungen. Die IG Metall (IGM) hatte die Aktion nicht unterstützt. Die Kläger berufen sich auf die Europäische Sozialcharta und wollen notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.

Die Abmahnungen waren rechtens, entschied das Arbeitsgericht (Az: 6 CA 6166/15). Nach Ansicht von Daimler war der Streik „illegal“. 1.200 Beschäftigte hatten im Dezember 2014 während der Nachtschicht ihre Arbeit niedergelegt, um gegen die Auslagerung von Arbeitsplätzen in der Logistiksparte zu protestieren. Die Werksleitung verschickte daraufhin 761 Abmahnungen. In den Wochen zuvor war es bereits zu mehreren Protestaktionen gekommen. Mobilisiert hatten Teile des Betriebsrates. Bloß: Zu keiner der Aktionen hatte die IGM selbst aufgerufen.

In der Praxis geht man davon aus, dass Abmahnungen nach zwei Jahren aus der Akte entfernt werden, wenn kein ähnlicher Fall eingetreten ist. Dass Daimler das nun bereits nach 15 Monaten macht, ist „ein Teilsieg unseres Kampfes“, sagte der Gewerkschafter Gerhard Kupfer als Sprecher der damals Streikenden. Er dürfe nicht als „Gnadenakt“ missverstanden werden. Vielmehr brauche das Unternehmen die „Friedhofsruhe“, um „ungestört“ das „Verbrechen“ Leiharbeit weiter ausbauen zu können. Ein Konzernsprecher sagte dagegen: „Es ein übliches Vorgehen, dass nach ein bis zwei Jahren überprüft wird, ob eine Ab©mahnung aus der Personalakte entfernt werden kann.“

Vor wenigen Tagen kündigte Daimler an, 200 unbefristete Jobs in Bremen zu schaffen. Laut Konzern würden die Stellen mit bisherigen Leiharbeitern besetzt. Daimler hat in Bremen nach eigenen Angaben rund 12.500 Mitarbeiter. Jan Zier

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