Ausbeutung für das Megaevent

fussball-wm 2022 Auf den Baustellen in Katar hat sich so gut wie nichts verbessert. Das weist Amnesty International in einem neuen Bericht nach. Doch die Fifa hält sich raus

Die Fifa will nur spielen: Arbeiter im Innenraum des entstehenden Al-Wakra-Stadions Foto: Alleruzzo/ap

von Tom Mustroph

Vor mehr als fünf Jahren wurde die Fußball-WM 2022 an Katar vergeben. Kritik am Auswahlverfahren und am Ausrichter wurde gern mit der Hoffnung gekontert, dass ein derartiges globales Sportgroßevent als Beschleuniger von Demokratisierung wirken könne. Sechs Jahre vor der WM und kurz vor Halbzeit der Vorbereitung ist davon aber wenig zu spüren. Auch bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die bereits fünf detaillierte und gut dokumentierte Berichte zum Thema der Arbeitsbedingungen im WM-Ausrichterland veröffentlichte, macht sich Ernüchterung breit.

„Wir hatten Gespräche mit Politikern und mit dem Organisationskomitee, dem Supreme Committee of Delivery and Legacy. Wir sind dort auf Verständnis und auch Betroffenheit gestoßen“, sagt Regina Spöttl, die Beauftragte von Amnesty Germany für Katar. „Das hat 2014 zu einer Verpflichtung zu Standards geführt. Wenn diese Standards eingehalten würden, wäre es auch großartig. Es hapert aber an der Umsetzung.“

Amnesty InternationaI fand vor Ort zahlreiche Belege für seine traurige Bilanz. Bei drei Besuchen in Katar zwischen Februar 2015 und Februar 2016 wurden insgesamt 234 Arbeiter interviewt. Sie alle waren auf der Stadionbaustelle al-Chalifa oder dem angrenzenden Komplex der Aspire Zone beschäftigt. Die Aspire Zone wird bereits von vielen europäische Fußballklubs, darunter auch der FC Bayern München und Schalke 04, als Wintertrainingslager genutzt.

Alle interviewten Männer erzählten, dass sie selbst Rekrutierungsgebühren zahlen mussten. Sie liegen zwischen 450 und 3.800 Euro – bei üblichen Monatslöhnen zwischen 350 und 450 Euro ist das nicht wenig. Auf den Profifußball übertragen würde dies bedeuten, dass die Ablösesummen für den Wechsel von Spielern nicht vom erwerbenden Klub, sondern vom Spieler selbst gezahlt werden müssten. Laut Gesetz verbietet Katar solche Rekrutierungsgebühren sogar, angewendet wird das Gesetz aber nicht. Das Supreme Committee und die Fifa machen munter mit beim ausbeuterischen Gesetzesbruch.

228 der 234 befragten Arbeiter gaben an, dass ihnen bei Ankunft in Katar Arbeitsverträge mit veränderten Konditionen ausgehändigt wurden. Der Lohn war geringer als noch im Heimatland vereinbart, und oft war die Arbeit auch schwerer, anstrengender und mit geringerer Qualifikation verbunden als ursprünglich versprochen. Wenn Arbeiter sich über die veränderten Vertragsbedingungen beschweren, reagieren die Vorgesetzten gern so: „Arbeitet für ein bis drei Monate weiter zu diesen Konditionen und akzeptiert einfach, was ihr kriegt. Wenn ihr nicht arbeitet, kriegt ihr gar kein Geld und auch nicht euren Pass zurück.“

Diese Drohung ist das wirksamste Instrument, die Arbeiter gefügig zu halten. „Sie haben große Angst. Eine offizielle Beschwerde trauen sie sich allenfalls zu machen, wenn sie schon außerhalb des Landes sind Denn wenn der Arbeitgeber ihnen keine Ausreiseerlaubnis gibt, dann haben sie keine Möglichkeit, das Land zu verlassen“, beschreibt Frank, ein Abgesandter der internationalen Bauarbeitergewerkschaft BWI in Doha, die Situation. „Wenn der Staat dann sieht, dass dein Visum schon abgelaufen ist, landest du im Gefängnis.“.

Die Interviewten berichten, dass sie die Rekrutierung selbst finanzieren mussten

Die meisten der im Zuge des aktuellen Amnesty-Berichts befragten Arbeiter waren nicht in den neuen Vorzeigeunterkünften untergebracht, durch die Journalisten so gern geführt werden, wenn Regime und WM-Organisatoren Fortschritte demonstrieren wollen.

Insgesamt wirft Amnesty International der Fifa „große Passivität beim Verhindern und Abstellen von Menschenrechtsverletzungen“ vor und forderte den Fußballverband zu eigenen Kontrollen auf den Baustellen in Katar sowie zu stärkerer Einflussnahme für Reformen im Land auf.

Die Fifa reagierte mit einer Stellungnahme, in der sie Gespräche mit Regierungsvertretern versprach. Eigene Kontrollaktivitäten lehnt der Weltverband aber weiterhin ab. „Die Fifa ist überzeugt, dass die Strukturen und Prozesse des Supreme Committees eine gute Basis sind, um die Rechte der Arbeitsmigranten auf den WM-Baustellen zu überwachen“, heißt es. Das bedeutet wohl: läuft alles fein; Rekrutierungsgebühren, Drückerlöhne und miese Unterkünfte interessieren uns nicht.