Geflüchtet aus dem Paradies

Verdichtung Flucht ist eine wahnwitzige Erfahrung. Schriftsteller Ramy al-Asheq zeichnet Bilder einer albtraumhaften Welt

Ramy al-Asheq

Foto: privat

26, ist syrisch-palästinensischer Dichter und Journalist. Er floh im Jahr 2011, nachdem er bei Protesten gegen das syrische Regime bedroht wurde. Seit Dezember ist er Chefredakteur der ersten deutschen Zeitung auf Arabisch, Abwab. Er lebt in Köln.

von Ramy Al-Asheq

Koffer, mit Angst vollgestopft, und Kleider, die nach Enttäuschung riechen. Schuhe für amputierte Füße, Bilder einer kompletten Familie, die dies nicht mehr ist, und hagere Gesichter aus Wut. Augen, die trockenes Salz auswerfen, Münder, die ohne Kehlen schreien, da diese aufgeschlitzt zurückgeblieben sind, und Ohren, die nur die Musik der Begräbnisse und die Stimme des Todes kennen.

Der Tod hat zwei Stimmen: Die erste Stimme ist die der Explosion, der Schreie und was dem folgt, und die zweite ist die der Stille.

Die Stille ist die Stimme des verdichteten Todes. Blicke, die nur Ruinen sehen, bewohnte Gebiete, die es nicht mehr sind, mehr Blut als Luft, und Luft, stechend durchsetzt mit der Asche verbrannter Körper. Das Zelt wartet. Das Zelt ist aktuell. Eine Minderheit geht zu weniger tödlichen Zelten, während der Rest in die Zelte der Hölle geht.

Die Engel wandeln in Uniformen mit blauen Symbolen umher, während sich Gott – wie üblich – nicht blicken lässt. Flüsse gibt es hier keine, es sei denn, sie sind in der Erinnerung an das Massaker hängen geblieben. Die Houris essen Staub, die Kinder wandern herum, um nach Wasser zu betteln, und der Sand, den zu mögen sich die Kinder angewöhnt haben, wird zu Glut und Frost.

Minuten vor der Auferstehung, haben die lebenden Toten ihren krummen Weg zu einem geringeren Tod beschritten. Die Soldaten werfen sie nieder, führen sie fort, bestehlen sie und fragen jeden von ihnen: „Wer ist dein Gott? Was ist deine Religion? Welches ist dein Buch?“ Und dann trifft ihn ein Gewehrkolben, worauf er einen Schrei loslässt, den das ganze Universum hört, bis auf drei: Gott, die internationale Gemeinschaft und deren Partner in der Heimat. Dann wirbeln die Trauernden umher, werden niedergestreckt, erheben sich sodann wiedererweckt, um für siebzig Jahre in die Hölle des Zeltes geworfen zu werden. Sie haben keine Macht, und um sie herum ist nur Verwüstung und nackter Boden.

Dann erfolgt der Ruf zu einem Markt für die Halbtoten, die Halbgötter waren, deren Hälfte gekreuzigt wurde, während die andere Hälfte ein Banner des Durstes blieb, ein Museum des Hungers und ein Gemeingut der Hässlichkeit. Den Schönheiten wird das Paradies angeboten, für das Antlitz des Todes, und sie werden als ängstliche, eigentlich unverkäufliche Ware verkauft. Der Verkauf gewinnt, und gewinnen tut nur, wer verkauft!

Eine Stunde vor der Stunde trug das Kind des Mörders eine Militäruniform und ein Plastikgewehr. Es schießt auf den Fernsehbildschirm, ein Fass fällt irgendwo, und es lacht. Es schießt, und eine Rakete steigt auf und Vakuumbomben fallen. Es schießt, und seine Armee öffnet Fenster in unseren Körpern. Es schießt sechs Tage lang und ruht am siebten. Dann setzt es den Kampf fort, der nicht müde wird, von keinem Schlummer überwältigt, wobei es lacht, so wie der Himmel lacht, aber nicht weint, so wie dieser weint.

Zuvor war nur frei, wer im Gefängnis war, und nur lebendig, wer frei gestorben ist. Zuvor war die Angst wie das Nichts, und die Dunkelheit füllte das Gesicht des Universums. Und zuvor war der Sohn des Herrn ein Gott geworden, pflügte die Gesichter der Menschen und aß ihre Herzen.

Es schmerzte sie, sie schrien, und so tötete er sie und sprach über den Resten ihrer Körper von dem Grauen derer, die sich ihre Zungen abgeschnitten und die Kehlen herausgerissen hatten, aus Angst davor zu schreien. Er sagte zu ihnen: „Meine Kinder, ich habe eure Herzen gegessen, damit sie euch nicht schmerzen – und ihr habt eure Zungen gegessen, damit sie mich nicht schmerzen!“

Davor besetzten die Soldaten die Köpfe der Menschen und ihr Land, und der Tod machte einen Morgenangriff. Das Leben wurde zum Tod, und der Tod zum Leben.

Die Soldaten verkauften, was sie konnten von unserem Fleisch und unserer Erde. Sie begannen Kriege, gewannen unseren Verlust, stärkten sich aus unserer Schwäche und zogen unsere Hälse für Verbeugungen hinunter. Sie kopulierten mit unseren Gesichtern, und so begann der Bau der Zerstörung und unsere Vergewaltigung.

In den Tagen vor der (Wieder-)Geburt war das Leben schöner!

Übersetzt aus dem Arabischen von Achmed Khammas