EU verschiebt Glyphosat-Zulassung: Mehrere Staaten haben Bedenken
Die Entscheidung über die Neuzulassung des umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat ist verschoben worden. Es gab keine Mehrheit dafür.
BRÜSSEL/HANNOVER afp/epd | | Die EU-Kommission hat die Abstimmung über eine weitere Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat verschoben. Die Verlängerung sei im zuständigen Fachausschuss nicht nur Abstimmung gestellt worden, sagte am Dienstag ein Diplomat. Offenbar habe sich keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten abgezeichnet.
Dass es weder für noch gegen eine Verlängerung der Zulassung eine qualifizierte Mehrheit geben würde, hatte sich bereits am Montag abgezeichnet. Frankreich, Schweden und Italien hatten zuletzt Medienberichten zufolge Bedenken geäußert. Die Bundesregierung hatte sich bis Montagmittag nicht auf eine Position einigen können.
Eine qualifizierte Mehrheit wären 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Glyphosat ist das deutschland- und weltweit am meisten verkaufte Pestizid. Mögliche Gesundheitsgefahren des Mittels sorgen seit Jahren für heftigen Streit. Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Zulassung für weitere 15 Jahre zu verlängern.
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) begrüßte die Vertagung der Neuzulassung von Glyphosat auf europäischer Ebene. „Angesichts der unterschiedlichen wissenschaftlichen Bewertungen über den Wirkstoff Glyphosat darf es keine uneingeschränkte Neuzulassung und Weiterverwendung geben“, sagte Meyer in Hannover. Die auf Grundlage zahlreicher Studien erfolgte Eingruppierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) des Pflanzengiftes als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ dürfe nicht folgenlos bleiben.
Zahlreiche Baumärkte in Deutschland und Frankreich haben das Pflanzengift bereits aus dem Sortiment genommen. Die Verbraucherschutzministerkonferenz unter Vorsitz Niedersachsens hatte bereits im vergangenen Jahr ein Abgabeverbot für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel an Privatpersonen und ein Verwendungsverbot in Parks und auf Spielplätzen sowie auf nicht-landwirtschaftlichen Flächen gefordert.
Leser*innenkommentare
Erhard Steinhaus
gut, jetzt haben die Lobbyisten doch noch mehr Zeit die Abweichler kräftig zu bearbeiten. Ihre bisherige Strategie war ja nicht ganz erfolgreich. So leicht lassen sich Monsanto und Co. die Butter nicht vom Brot nehmen.
Christina de Havilland
Umso wichtiger ist es, dem etwas entgegenzusetzen: Der BUND hat eine Protestbrief-Aktion ins Leben gerufen, an der man sich unter dem folgenden Link beteiligen kann:
https://aktion.bund.net/keine-glyphosat-wiederzulassung
Christina de Havilland
@Christina de Havilland ... Und dieser Appell richtet sich an den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: https://www.foodwatch.org/de/informieren/glyphosat/e-mail-aktion/
noevil
Über die heutige Verschiebung bin ich zunächst einmal einfach erleichtert. Gibt es unseren Politikern doch die Möglichkeit, ihren Standpunkt nochmals kritisch unter die Lupe zu nehmen und eine als fest, unfehlbar und fortschrittlich definierte Verteidigungshaltung fachlich neutral nochmals zu bewerten. Und sie sollen sich nur nicht davor fürchten zuzugeben, dass sie möglicherweise nach dem Putzen ihrer Brillen feststellen mussten, einige gravierende kritische Details übersehen zu haben.
Der Verbraucher (auch als Wähler) wird es ihnen als Neutralität und Seriosität verpflichteten Politikern sicherlich mit Pluspunkten positiv zugutehalten.