: Unter Arztsöhnen
LANDEIER Wie ich auf dem Weg nach Eiderstedt im Pudel Club hängen blieb
Ob es schon der hellblaue Volvo war, weiß ich nicht mehr genau. Vielleicht auch der Käfer, der sicher auch irgendeine Farbe hatte. Jedenfalls wollten wir nach Eiderstedt, ins Wochenendhaus irgendwelcher Hamburger Ärzte-Eltern, in Tönning oder Garding oder so. Die Kasseler Berge hatten die ganze Sache aber verlangsamt, und die Lkw. Also waren wir erst abends vor dem Elbtunnel, und dahinter einmal rechts raus, das war ja eingeplant.
Weil: Es war 1995, und es gab da doch diesen Laden, den diese Stars betrieben, der von den Goldenen Zitronen und der andere. Und die von Tocotronic, die hingen da doch auch immer rum, das glaubte man zumindest zu wissen, sogar in dem oberhessischen Universitätskleinstadttalkessel, in dem wir losgefahren waren. Hatte vermutlich in der Spex gestanden. Oder hatten wir’s im Radio gehört, bei Klaus Walter? Also runter von der Autobahn, rechts halten und immer geradeaus, irgendwann dann die Reeperbahn gefunden, aber –
„Wo ist das noch mal genau?“
„Am Wasser irgendwo. Hafenstraßenhäuser.“
„Pass auf, der will abbiegen!“
Und dann warteten da ja noch die anderen. In dem Reetdachhaus. Mit dem ganzen Zeug, „die warten doch“. Sollte man denen nicht Bescheid sagen, dass es spät wird? Handys hatten aber doch nur Business-Arschgeigen. Gut, und werdende Väter, für den entscheidenden Anruf. Und der Hamburger Arztsohn, den wir treffen wollten, gut, da gab es auch eins. Da, eine Tanke, ein Glück.
„Okay, bis dann. Du, die wollen nicht aufbleiben. Wir sollen dann erst morgen früh kommen.“ Also in Hamburg bleiben, ein paar Stunden wenigstens. Das geht in diesem Pudel’s doch sicher.
Das „Pudel’s“, das wir dann bald nicht mehr so nannten, stellte sich als ziemlich eng heraus, was da an der Wand hing, ähnelte aber doch sehr der Holzverkleidung im elterlichen Dachgeschoss. Davon abgesehen, gab es natürlich erst mal keine Ähnlichkeiten. Na, der Plattenspieler vielleicht, auf dem da aufgelegt wurde, der sah aus, als könnte er ganz zu Anfang gut und gerne auch irgendwessen Eltern gehört haben. Überhaupt: nur ein Plattenspieler. Verrückt!
Das Bier verkauften sie, noch eine Premiere, in komischen, knollenartigen Flaschen, und so richtig super schmeckte es nicht und irgendeinen unserer Stars sahen wir an jenem Abend auch nicht.
Auf der Weiterfahrt ereignete sich, der Müdigkeit geschuldet, beinahe noch ein Unfall, aber nicht bloß deswegen war etwas anders am nächsten Morgen: Es war nicht das Bier, es waren auch nicht die in Aussicht stehenden Semi-Prominenten, es war noch nicht mal die tolle Lage des Schuppens am Hafenrand. Egal vielleicht, was genau es war, es hatte einen Entschluss zur Folge: Hamburg muss es sein.
Alles weitere fand sich.
ALEXANDER DIEHL lebt seit dem darauf folgenden Frühjahr in Hamburg. Im Pudel war er zuletzt im Sommer 2015 – und dann auch noch an einem Samstagabend
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