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Check-Liste für österreichische Hochschulen

Nachhaltigkeit 9 der 22 staatlichen Hochschulen bekennen sich nicht nur zu Ökothemen: sie handeln. Bei der Umsetzung gibt es aber auch Widerstände

Rund hundert Lehrveranstaltungen mit Nachhaltigkeitsbezug: Keine schlechte Zahl für eine Wirtschaftsuniversität. An der WU Wien ist man darauf schon ein bisschen stolz.

Österreichs Hochschulen sind beim Thema Nachhaltigkeit europaweit ziemlich weit vorne dabei: Die „Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich“ umfasst mittlerweile 9 der 22 staatlichen Universitäten. Sie bilden eine Vorhut zur Ökologisierung der Wissenschaft, die in Europa ihresgleichen sucht. Gestartet haben sie ihre „Ivy Leage“ 2012 auf Initiative der Universität für Bodenkultur Wien und der Universität Graz. Und sie erhielten sofort die Unterstützung des österreichischen Wissenschaftsministeriums.

Vergangene Woche war der große Nachhaltigkeitskongress „Wachstum im Wandel“ an der Wirtschaftsuniversität Wien Treffpunkt der Allianz-Akteure. „Angesichts der aktuellen großen gesellschaftlichen Herausforderungen müssen und wollen Universitäten ihre Vorreiterrolle für eine zukunftsfähige Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft verstärkt wahrnehmen.“ Mit diesen Worten beginnt die Selbstverpflichtung, auf die sich die Allianz-Unis auf einem Enquetemeeting mit Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im vergangenen Herbst verständigten.

Zu den großen Zukunftsherausforderungen, so die Präzisierung, gehörten Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Ressourcenknappheit, Ernährungssicherheit, demografischer Wandel, soziale Sicherheit und Migration und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft. Minister Mitterlehner, der in der Großen Koalition mit den Sozialdemokraten (SPÖ) die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft vereint, gefällt der grüne Kurs der Hochschulen: „Österreich kann stolz auf die Nachhaltigkeitsaktivitäten seiner Universitäten sein, die – auch im europäischen Vergleich – hervorragend sind“.

Im Zusammenspiel mit der Wirtschaft würden „soziale und technologische Innovationen“ entwickelt, die „sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Wettbewerbsfähigkeit stärken“. Diese Rolle der Hochschulen – ihre neben Lehre und Forschung „dritte Mission“ in die Gesellschaft hinein – solle kontinuierlich gestärkt werden, sicherte der Politiker zu. So sollen im nächsten Schritt die Universitäten zukünftig „über die Leistungsvereinbarung Konzepte entwickeln, wie sie eine stärkere Verantwortung in der Praxis wahrnehmen können“. Konkret ist von Bürgerbeteiligungsprozessen in der Forschung, die Definition von Zielen zu „Social Impact“ oder durch Schwerpunktsetzungen im Bereich der Zukunftsherausforderungen die Rede.

Weiter als Deutschland

Zum Vergleich: Alle diese Themen sind auch in Deutschland nicht unbekannt. 2012, als sich in Österreich die Nachhaltigkeits-Allianz gründete, formierte sich beim großen Nachbarn das lockere Bündnis „Nachhaltige Wissenschaft“. Ihm gehören aber bis heute lediglich drei Universitäten und zwei Forschungsinstitute an: ein totes Bündnis.

In Österreich hingegen folgten auch Taten: Die Allianz erstellte ein „Handbuch Nachhaltigkeitskonzepte für Universitäten“, das eine detaillierte Check-Liste für Forschung, Lehre und Universitätsmanagement enthält. Fünf Allianz-Universitäten führten gemeinsam das Umweltmanagementsystem EMAS ein und arbeiten im Bereich Betriebsökologie eng zusammen. In der Klimaforschung starteten die Unis Modellprojekte unter „klimafreundlichen Bedingungen“. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe unterstützt nachhaltige Mobilitätsinitiativen an den Universitäten, eine andere kümmert sich um die „nachhaltige Beschaffung“, eine dritte tauscht sich bei der Förderung von „grünen Gründerfirmen“ aus.

Natürlich gibt es im strukturkonservativen Wissenschaftssystem auch Reibungen und Widerstände. Das bemerkt auch Fred Luks, der das Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit an der WU Wien leitet. „Es ist keineswegs trivial, die Themen der Nachhaltigkeit in die Uni-Curricula einzubringen, weil die schon randvoll sind.“

Luks hat aber mehr vor: Als Nächstes will er das interdisziplinäre Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit ausbauen. Das Besondere: Das Zentrum ist keiner Fakultät zugeordnet, sondern arbeitet universitätsübergreifend. Vielleicht bald mit mehr als acht Partner-Unis.

Manfred Ronzheimer

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