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Eine Koalition ist nicht in Sicht

Slowakei Die Angst vor muslimischen Flüchtlingen dominierte den Wahlkampf und das Ergebnis. So viele Parteien wie nie schaffen es in den Nationalrat, Neonazis inklusive

Aus Prag Alexandra Mostyn

Schlechter hätten die Wahlen in der Slowakei am Samstag nicht ausfallen können. Das Einzige, was sie mit Sicherheit vorangebracht haben, ist Chaos. Insgesamt acht Parteien haben es in den 150-köpfigen slowakischen Nationalrat geschafft, die Kräfteverteilung zwischen potenziellen Koalitionspartnern gleicht dabei einer Pattsituation.

Die scheint umso hoffnungsloser, da sowohl Neonazis als auch eine systemkritische Bürgerbewegung den Sprung ins Parlament geschafft haben. Die Möglichkeit, in Bratislava eine stabile Regierungskoalition zusammenzubekommen, gleicht den Überlebenschancen eines Schneemanns am Äquator.

Keine leichte Aufgabe, selbst für einen erfahrenen Politiker wie Ministerpräsidenten Robert Fico. Er ist Sieger und Verlierer der Wahl zugleich. Ficos Partei Smer, die sich sozialdemokratischen Traditionen verpflichtet fühlt, hat die Wahlen zwar gewonnen. Ihr Stimmanteil von 28,3 Prozent, umgerechnet 49 Mandate, bedeutet aber das schlechteste Wahlergebnis seit 2002, fern von der absoluten Mehrheit, die Fico noch nach dem letzten Urnengang feiern durfte. „Als Partei, die diese Wahlen gewonnen hat, stehen wir nun in der Pflicht, eine sinnvolle und stabile Regierung zu bilden“, erklärte ein enttäuschter Fico am Samstagabend.

Doch Richard Sulik, der Vorsitzende der liberalen Partei SaS (Freiheit und Solidarität), lehnt eine Zusammenarbeit mit Fico kategorisch ab. Mit einem überraschend hohen Stimm­anteil von 12,1 Prozent und damit 21 Mandaten, ist die SaS zur zweitstärksten Kraft im Nationalrat geworden. Auch die drittstärkste Kraft, die neue liberale Bewegung Ol’ano-Nova (Einfache Leute und unabhängige Persönlichkeiten – Nova), die 11 Prozent und 19 Sitze errang, will nicht mit Fico in ein Boot.

Böse Überraschung: 14 Sitze für die Neonazis der „Volkspartei Unsere Slowakei“

Mögliche Partner sind die Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid (Brücke) und die Bewegung „Wir sind Famile“, die jeweils 11 Sitze errangen. Für eine stabile Mehrheit würde aber auch diese mögliche Dreierkoalition nicht ausreichen. Geht man von Ficos Wahlkampfrhetorik aus, könnte der eine gemeinsame Sprache mit der bösen Überraschung dieser Wahl finden: der rechtsextremen „Volkspartei Unsere Slowakei“ des Neonazis Marian Kotleba, die 8 Prozent der Stimmen und 14 Ratsmandate gewann.

Es sind Geister, die Fico selbst gerufen hat. Als zentrales Wahlkampfthema hatte der die Flüchtlingskrise gewählt. Das mag relativ absurd anmuten, in der Slowakei gibt es keine Flüchtlinge. Aber Fico, der offen gegen eine EU-Quote angeht, sieht eine muslimische Gefahr für das Land. Mit den Neonazis im Nationalrat hat er nun die Rechnung bekommen.

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